Die Vergabe des Ehrendoktortitels der Uni Freiburg am Dies Academicus an Mario Gattiker, Staatssekretär für Migration, hat bei linken Organisationen heftige Reaktionen ausgelöst.

Eigentlich sollte der Dies Academicus ein Tag des Feierns sein. Die Universität nutzt diesen vorlesungsfreien Tag, um ihre Werte nach aussen erkenntlich zu machen, indem sie fünf Persönlichkeiten für deren herausragende Leistungen mit der Vergabe eines Ehrendoktortitels einer ihrer Fakultäten ehrt. Dieses Jahr waren dies Jean Jacques Pérennès, Jan Jenisch, François Nordmann, Susan M. Gasser sowie Mario Gattiker. Die Vergabe des Ehrendoktors an letzteren löste in linken Kreisen heftige Reaktionen aus: Sie erachten dessen Migrationspolitik als zu streng. Wir haben Poya Collectif, das Rektorat, sowie das Staatssekretariat für Migration um eine Stellungnahme gebeten.

Humanistische Werte der Universität?

Guy Zurkinden ist seit vier Jahren Mitglied von Poya Solidaire, einer freiburgischen Organisation, welche für die Rechte von Migrant*innen kämpft. Über die Verleihung des Ehrendoktortitels an Mario Gattiker war er empört. Laut ihm wolle Gattiker durch die strenge Anwendung kontinuierlich erhärteter Gesetze Migrant*innen entmutigen, in der Schweiz Asyl zu beantragen. Konkret sei Gattikers Migrationspolitik beispielsweise für das Verwehren der Erleichterung von humanitären Visen an Geflüchtete des Talibanregimes in Afghanistan verantwortlich. So auch für das Zurückschicken von Geflüchteten nach Äthiopien trotz des sich dort verschlimmernden Bürgerkriegs: «Die Tatsache, dass eine humanistische Universität jemanden mit einer solch inhumanen Politik auszeichnet, zeugt entweder von einer ungeheuren Unwissenheit oder von Zynismus. Die Universität rechtfertigt und legitimiert eine solche Politik, wenn sie dessen Vormann dekoriert.» Aus diesem Grund schloss sich Poya Solidaire mit anderen linken Organisationen zusammen und verfasste einen Brief an die Rektorin mit der Bitte, Herrn Gattiker keinen Ehrendoktortitel zu verleihen.

Mitglieder von Poya Collectif protestieren am Dies Academicus gegen die Verleihung des Ehrendoktortitels an Mario Gattiker.

 

Imagegewinn oder -verlust

Die Rektorin der Universität Fribourg, Astrid Epiney, hat nicht direkt auf den Brief geantwortet. Allerdings bestätigte sie gegenüber den Freiburger Zeitungen Liberté und Freiburger Nachrichten, dass der Ehrendoktortitel an Gattiker trotz der Kritik verliehen werde: «Als Institution ist es nicht unsere Aufgabe, über die Asylpolitik des Bundes und deren Umsetzung zu urteilen.» Weder das Rektorat noch die Politik hätten Einfluss auf die Wahl des Ehrendoktors durch die fünf Fakultäten. Das sei auch gar nicht die Absicht, denn «der Preis wird nicht nach einem Imagegewinn oder -verlust für die Institution vergeben, sondern um herausragende Persönlichkeiten zu ehren.» Die Rechtswissenschaftliche Fakultät habe Herrn Gattiker gewählt, da er als ein Mitgestalter grundlegender Konzepte des Asylrechts, als wissenschaftlicher Autor sowie als Experte für Asylpolitik wahrgenommen werde.

Glaubwürdigkeit des Rechtsstaats

Obwohl der Brief nur an die Universität und die Medien geschickt wurde, erklärte sich das Staatssekretariat für Migration (SEM) auf Anfrage dennoch bereit, dazu Stellung zu beziehen: «Wir freuen uns natürlich über die Verleihung des Ehrendoktortitels an Herrn Gattiker. Uns ist aber auch bewusst, dass das Thema Asyl komplex und oft auch emotional ist.» Dennoch sei eine sachliche Debatte darüber sehr wichtig. Das SEM setze das Schweizer Asylgesetz um, welches von der Stimmbevölkerung mit grosser Mehrheit angenommen worden sei. Selbstverständlich sei es aber auch jederzeit möglich, eine Petition zur Änderung dieses Gesetzes einzureichen. Rechtsstaat bedeute allerdings auch, dass rechtskräftige Entscheide umgesetzt werden müssen: «Wird etwa ein Asylgesuch definitiv abgelehnt, so muss die betroffene Person die Schweiz verlassen.» Denn wenn rechtskräftige Entscheide nicht umgesetzt werden würden, untergrabe das die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaats. Trotzdem stellt sich dabei leise die Frage: Wo bleibt die Glaubwürdigkeit der Menschenrechte für diejenigen Geflüchteten, die in lebensbedrohliche Gebiete zurückgeschickt wurden?

 

Text: Sophie Sele

Foto: Marion Savoy