Der Begriff Heimat ist in aller Munde. Kann er auch für eine progressive Politik verwendet werden, oder sollte gänzlich auf ihn verzichtet werden?

«Daham statt Islam», also «Heimat statt Islam», las ich in meiner Jugend in Wien auf den Wahlplakaten der Freiheitlichen Partei Österreich (FPÖ). Auch heute noch assoziiere ich den Begriff Heimat mit rechter Politik. Tatsächlich scheinen alle rechtspopulistischen Parteien des deutschen Sprachraums diesen Begriff für sich zu beanspruchen: sowohl die österreichische FPÖ als auch die deutsche AfD und die schweizerische SVP bezeichnen sich gerne als «Heimatpartei». Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) – derartig rechtsextrem, dass ihre staatliche Finanzierung vom Bundesverfassungsgericht Anfang dieses Jahres verboten wurde – hat sich 2023 umbenannt. Ihr neuer Name: «Die Heimat».

Ein Begriff mit brauner Vergangenheit

Das Parteiprogramm der SVP legt fest, was als Heimat zu verstehen sei, nämlich Geschichte, konservative Werte, Land und Brauchtum. Hervorzuheben ist die nahe Verbindung von Heimat mit Natur und Landwirtschaft. Durch diese Kombination von Kultur und Land bedient es sich eines Heimattopos mit einer unrühmlichen Vergangenheit. Die Heimatliteratur des 19. Jahrhunderts stellte der modernen Grossstadt eine idyllische bäuerliche Lebenswelt entgegen. Der Nationalsozialismus instrumentalisierte diese Gefühle. In seiner rassifizierten Blut-und-Boden-Ideologie wurde jedem Volk eine angestammte Heimat zugeordnet, die von aussen ständiger Gefahr ausgesetzt ist. Diesen exkludierenden Aspekt des Begriffes weiss die politische Rechte seitdem geschickt auszunutzen. Vor allem in der Schweiz, in der die Verstrickungen mit dem Nationalsozialismus einfacher zu verleugnen waren als in Deutschland oder Österreich, war Heimat schnell als politisches Schlagwort im Gebrauch. Bereits 1968 wurde die als Schwarzenbach-Initiative bekannte «Nationale Aktion gegen die Überfremdung von Volk und Heimat» lanciert.

 

 

Über die Rückeroberung eines Begriffes

Aufgrund dieser Vergangenheit schien der Begriff für die politische Linke lange Zeit tabu zu sein. Auch in der Schweiz wollte der SP-Präsident in den 1990er-Jahren zum Heimatbegriff keinen Kommentar abgeben. Erstaunlicherweise scheint diese Einstellung in den letzten Jahren jedoch zu kippen. Bei einem Interview mit der NZZ 2017 hatte der damalige Parteipräsident Christian Levrat dann auch sofort eine Definition auf Basis von Vielfalt und Diversität parat. «Zur Rückeroberung eines instrumentalisierten Begriffs» rief SP-Nationalrat Beat Jans aus, als er 2019 ein Buch mit dem Titel «Unsere Schweiz – Ein Heimatbuch für Weltoffene» herausgab. Statt exklusiv und statisch, soll Heimat nun inklusiv und wandelbar werden. Im Jahre 2018 ist Heimat endgültig in der Mitte der Gesellschaft angekommen, wie die Umbenennung des deutschen Innenministeriums in «Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat» bezeugt. Trotz dieser Bemühungen scheint sich die rechte Interpretation des Begriffs hartnäckig zu halten. Laut einer Umfrage von 2017 assoziieren Schweizerinnen und Schweizer Tradition und Landschaft immer noch mit Heimat.

Heimat als eine falsche Antwort auf ein tatsächliches Problem

Dass Heimat im politischen Diskurs wieder Konjunktur hat, ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass Einsamkeit und Unsicherheit die derzeitige Gefühlslage beherrschen. Der rechte Heimatbegriff verspricht Sicherheit und Geborgenheit durch Homogenität von Kultur und Gesellschaft. Aber er erkauft sich diese Heilsversprechen, indem er ausgrenzt und Aussenstehende zur Gefahr erklärt. Dass es auch anders geht, zeigt eine weitere Umfrage von 2017. Anstatt den Begriff «Heimat» zu benutzen, wurde hier nach Bedingungen für «Sich-heimisch-Fühlen» gefragt. Familie und Freunde wurden als wichtigster Faktor eingeschätzt, während Kultur und Tradition nur von 5% der Befragten genannt wurden. Wir kommen zur Einsicht, dass durch Förderung von kommunalen Strukturen und sozialer Interaktion bereits Geborgenheit generiert werden könnte. Die vermeintliche Notwendigkeit einer essenzialistischen Identität entpuppt sich dabei nur als dem Heimatbegriff inhärent und geschichtlich gewachsen. In einer Zeit, in der wir Worten grosses Gewicht zugestehen, stellt sich die Frage, ob der Begriff Heimat überhaupt noch gewinnbringend verwendet werden kann.

 

Text Maximilian Mosbacher

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