Die Haltung exotischer Haustiere wird immer beliebter. Doch wer sich für Tiere aus fernen Lebensräumen entscheidet, steht oft vor ethischen Fragen und Herausforderungen, die weit über die Tierpflege hinausgehen.

«Du hast freiwillig eine Vogelspinne in deinem Schlafzimmer?» Diesen Satz hört Cedric nur allzu oft. Während Hundebesitzer:innen oft Komplimente für die Niedlichkeit ihres Haustieres bekommen, sieht Cedric häufig schockierte Gesichter, wenn er von seinem geliebten Haustier, der Rotweissen Brasilianischen Vogelspinne, erzählt. Der Name dieser Spinnenart deutet auf den Herkunftsort hin. Nicht nur Cedric besitzt ein Haustier, dessen natürlicher Lebensraum auf einem weit entfernten Kontinent liegt. Es gibt unzählige weitere Menschen in der Schweiz, die exotische Haustiere besitzen. Von Spinnen, über Geckos, bis zu Affen. Obwohl Tierschutzorganisationen auf die besonderen Bedürfnisse dieser Tiere aufmerksam machen, boomt die Haltung von exotischen Haustieren und das ist nicht zuletzt auf das Internet zurückzuführen.

Wenn die Spinne zum Haustier wird

«Ich hatte nie Angst vor Spinnen» sagt Cedric. Seit mehreren Jahren besitzt er Vogelspinnen. Im Moment sind seine Terrarien gefüllt mit einer Blauen Jemen-Vogelspinne und einer Rotweiss Brasilianischen Vogelspinne. Seiner Faszination für Spinnen kann Cedric durch das stundenlange Beobachten der Vogelspinnen gerecht werden. «Besonders spannend wird es, wenn die Spinnen rumkrabbeln. Da frage ich mich, wie sie das managen können mit ihren acht Beinen», erklärt Cedric und lacht. Damit sich die Spinnen bewegen können, brauchen sie genug Platz im Terrarium. Und sie haben zahlreiche weitere Bedürfnisse. Lucia Oeschger, Biologin bei der Fachstelle Heimtiere vom Schweizer Tierschutz STS erklärt, dass es herausfordernd ist, exotische Haustiere artgerecht zu halten. «Weil diese Tiere normalerweise in einem Lebensraum heimisch sind, der nicht unseren Breitengraden entspricht, muss man sich mit den artenspezifischen Bedürfnissen befassen und diese respektieren», sagt die Biologin.

 

Zu solchen ethischen Aspekten hat sich Cedric schon oft Gedanken gemacht. Er findet die Auflagen des Bunds über die Haltung von Gliederfüssern sehr schwach. Seine Vogelspinnen leben in Terrarien, die mindestens doppelt so gross sind wie die Fläche, die der Bund vorschreibt. Oeschger bestätigt, dass die gesetzlichen Anforderungen nur zeigen, was legal ist. «Von der Legalität zur tierfreundlichen Haltung muss man aber noch einen grossen Schritt machen», erklärt sie. Die Mindestanforderungen sind laut Oeschger somit an der Grenze zur tierquälerischen Haltung. Vor allem bei vielen Vogelarten seien die Mindestanforderungen nicht artgerecht. Nach den gesetzlichen Bestimmungen sollen beispielsweise Graupapageien über ein Gehege von 0.7 Quadratmetern verfügen. Die STS empfiehlt in diesem Fall einen Lebensraum von 10 Quadratmetern, obwohl nach Oeschger eigentlich eine ganze Halle hingestellt werden sollte, um wirklich tiergerecht zu sein.

Für seine Vogelspinnen musste sich Cedric auch mit Ansprüchen wie der richtigen Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Fütterung befassen. Die Ernährung der Achtbeiner ist hingegen nicht aufwändig. «Die Spinnen essen alle zwei Wochen eine Heuschrecke, sonst nichts», erklärt Cedric.  Diese Tiere sind laut ihm vor allem zur Beobachtung geeignet; in die Hand nehmen sollte man sie nicht. «Aufgrund der vielen Härchen, die die Spinnen haben, ist jede Art von Körperkontakt oder Luftströmen für die Tiere eine komplette Reizüberflutung.» erwidert Cedric. Die Faszination für exotische Tiere wie Vogelspinnen bleibt vor allem in ihrer einzigartigen Lebensweise. Sie leben in einer stillen Welt, welche man nicht stören sollte.

Lebendige Heuschrecken für Leopardgeckos  

Neben Gliederfüssen werden auch einige Reptilien-Arten als Haustiere gehalten. Im Terrarium von Simona Kummer lebten für sechs Jahre drei Leopardgeckos. «Die Geckos, die ich mit 13 Jahren bekam, liessen meine Faszination für Tiere und Natur aufflammen. Ich habe Tabellen geführt und Fotos gemacht wie eine Wissenschaftlerin», sagt die heutige Biologiestudentin. Geduldiges Beobachten führte bei Simona so weit, dass sie Verhaltensmuster und Charaktereigenschaften der einzelnen Tiere feststellen konnte. «Vor allem das Fremde und dass man die Tiere normalerweise nicht so kennt, das interessierte mich sehr. Geckos sind sehr lustige, schöne und interessante Tiere», meint sie.

Auch sie betont, wie wichtig es sei, sich vor der Anschaffung von Geckos ausführlich über die Haltung zu informieren. Die Fütterung der Tiere kann herausfordernd sein. Geckos muss man mehrmals pro Woche füttern. Die Schuppenkriechtiere fressen nur, was noch lebt. Somit musste Simona in Tierhandlungen Grillen und Heuschrecken kaufen. «Wenn ich zum Beispiel in die Ferien ging, war es schwieriger, eine Person zu finden, welche die Geckos füttern wollte, als wenn es um eine Katze ging. Die lebendigen Heuschrecken und Grillen haben da sicher eine grosse Rolle gespielt», erklärt Simona Kummer. Laut ihr sind dies Aspekte, die man vor der Anschaffung schon beachten sollte. Auch bei ihr selbst sind die Grillen und Heuschrecken ein Grund gewesen, die Haltung der Geckos zu hinterfragen. «Ich hatte grosse ethische Bedenken, da ich lebendige Grillen und Heuschrecken in einer Kartonschachtel in Tierhandlungen kaufen musste, um diese dann zu verfüttern.»

Dies war für Simona Kummer einer der Gründe, weshalb sie die Haltung der Geckos aufgegeben hat. «Viele Bekannte, die meine Geckos und die Grillen sahen, hatten Mitleid mit den Insekten, obwohl diese Menschen selbst auch Fleisch essen», sagt Simona bedenklich.

Da Simona Kummer sich zwischen Tierliebe und Fütterungspflicht befand, entschied sie sich, ihre Geckos abzugeben. Diese Entscheidung prägt ihr Verhältnis zur Tierhaltung bis heute.

 

Meinung einer Biologin

«Es gibt furchtbare Trends, wenn es um exotische Haustiere geht», sagt Lucia Oeschger. Laut ihr ist es deshalb immer wichtig, zuerst zu schauen, welche Tierarten sich als Haustiere eignen und welche nicht. Von der Anschaffung exotischer Vögel und Säugetieren rät sie generell ab. Die Biologin empfiehlt, vor dem definitiven Entscheid für ein so bedürfnisreiches Haustier Kurse zu absolvieren, Tierhandlungen zu besuchen und eher zurückhaltend zu sein, da es nicht immer eine sinnvolle Sache sei, sich ein exotisches Tier anzuschaffen.  Zusätzlich erwähnt sie, wie wichtig es sei, bei der Beschaffung auf die Herkunft zu achten. Dies aus dem Grund, dass es je nach exotischer Tierart einen grossen Schwarzmarkt gibt. Man sollte fragwürdige Angebote ablehnen, denn wenn unbekannt ist, woher das Tier genau kommt, könnte es aus einem Wildfang stammen, was höchstproblematisch ist.

Haustier im Internet gekauft

Über 10’000 exotische Säugetiere wurden über den Zeitraum von vier Jahren auf deutschen Internetbörsen zum Verkauf angeboten. Darunter befanden sich fast 300 verschiedene Arten. Die meisten davon waren Nagetiere, ein Viertel waren Raubtiere und bei über 50 Arten handelte es sich um Affen. Auch Zoofachgeschäfte verkaufen gelegentlich exotische Tiere als Haustiere, darunter Nasenbären und Affen. Solche Wildtiere sind nach Ansicht des schweizerischen Tierschutzes als Heimtiere aber völlig ungeeignet. Die Anzahl und Vielfalt der als Haustier gehaltenen Wildtiere ist in den letzten 20 Jahren stark gestiegen. Dies wird von Tierheimen, Auffangstationen und Fachzeitschriften bezeugt. Obwohl die Haltung von exotischen Wildtieren in der Schweiz vergleichsweise strikt reglementiert ist, besteht in Deutschland ein grosser Markt für exotische Haustiere. Vor allem im Internet werden viele exotische Säugetiere angeboten, was einen grossen Anreiz zum Spontankauf darstellt. Auch von Schweizer:innen werden solche Tiere in Deutschland via Internet gekauft. Da der Schwarzmarkt für exotische Wildtiere gross ist, verfügen nicht alle Käufer:innen über eine Bewilligung.

Haltungsfehler und damit entstehende Tierschutzprobleme sind oft die Folgen von unzureichender Beschaffung von Vorinformationen von Seiten der tierhaltenden Person. Somit sind viele Tierhalter:innen überfordert oder vom eigenen Haustier gefährdet, sodass die Tiere dann in Auffangstationen landen oder sogar eingeschläfert werden müssen. Der Handel und die Zucht von Wildtieren in menschlicher Obhut berühren auch den Artenschutz, da wildlebende Tiere oft für den Heimtiermarkt gefangen werden. Zudem besteht die Gefahr, dass gehaltene Wildtiere entkommen oder ausgesetzt werden und dadurch die heimische Artenvielfalt gefährden.

Obwohl der Boom von exotischen Haustieren verlockend wirkt, ist die Verantwortung gegenüber diesen Tieren enorm gross. Wie Cedric und Simona Kummer zeigen, bleibt es letztlich eine Gratwanderung zwischen Faszination und ethischer Verantwortung.

 

Text Jelka Zehnder

Foto Simona Kummer (Gecko), Cedric (Spinne)