Schönheitsideale begleiten die Menschheit seit Jahrtausenden. Eine Reise von prähistorischen Kurven über die Venus bis hin zur heutigen Social-Media-Perfektion.

«Geh ins Gymmi, werde skinny, mach daraus eine Show.» Diese Zeile aus dem Song Bauch Beine Po von Shirin David vermittelt eine Vorstellung von Schönheit, die auf Schlankheit, Fitness und Selbstinszenierung reduziert ist. Diesen Sommer eroberte der Song die Ohren zahlreicher Fans. Dabei spiegelt er die vorherrschenden Schönheitsideale unserer Gesellschaft wider. Doch was heute in Popsongs oder auf sozialen Medien propagiert wird, ist nur die jüngste Variante eines alten Konzeptes. Die Idee von Schönheit war niemals zeitlos. Sie wandelt sich mit jeder Epoche.

Perspektiven der Schönheit 

Um die Bedeutung des Wortes «Schönheit» aufzuschlüsseln, müssen unterschiedliche Perspektiven in Betracht gezogen werden. So betonte beispielsweise Aristoteles, dass Schönheit im Gleichgewicht und in der Proportion liege, während andere sie eher als etwas Persönliches einordnen, mit der Behauptung:  «Schönheit liegt im Auge des Betrachters.» Gleichzeitig zeigen wissenschaftliche Studien aus soziologischen oder psychologischen Forschungsfeldern, dass auch soziale und kulturelle Einflüsse unser Verständnis von Schönheit stark prägen. Klar ist: Die Ansicht von Schönheit wandelt sich mit der Zeit.

Schön sein in der Steinzeit

Shirin David singt in ihrem Song davon, wie Bauch, Beine und Po trainiert werden. Dieser Songtext wäre wohl in der Steinzeit kein Erfolg gewesen, denn damals war die Dickleibigkeit ein Schönheitsideal: dicke Beine, runder Bauch und üppiger Po. Fettreserven galten als eine Art Versicherung um die eigenen Kinder ausreichend zu ernähren und grosszuziehen.

Muskeln und Eleganz

Würde man eine Zeitreise in die Antike machen, könnte man zahlreiche Kunstschaffende treffen, die Männer mit Sixpack und Frauen mit runden, weichen Formen erschufen. Sie meisselten diese Vorstellung eines «schönen Körpers» in Stein und erschufen Skulpturen. Schönheit war damals eng mit idealisierten Proportionen und Fitness verbunden. Deshalb wurden Männer als kräftig und athletisch dargestellt. Das Kunstwerk der Venus von Milo ist ein Beispiel für weibliche Schönheit, die zu dieser Zeit mit Sanftheit und Eleganz in Verbindung stand.

 

Mittelalter, Renaissance und Barock

Das Christentum, das sich auf dem europäischen Kontinent ausbreitete, beeinflusste stark die Schönheitsideale im Mittelalter. Während es den Römern wichtig gewesen war, den Körper zu pflegen und sogar Schminke aufzutragen, galt dies im Mittelalter als ein böses Mittel zur Verführung, vor allem wenn sich Frauen schminkten. Frauenkörper in der mittelalterlichen Kunst wurden somit eher schlicht dargestellt, ohne die früheren üppigen Proportionen. Daneben war beispielsweise eine helle Haut ein Schönheitsideal. Adelige Frauen mieden deshalb die Sonne und hellten ihr Gesicht auf – teils sogar mit giftigem Bleiweiss oder durch das bewusste Ablassen von Blut, um den blassen Teint zu verstärken.

In der späteren Renaissance galten wiederum volle Körper als schön, verlockend und sinnlich. In der Malerei nahm der Bauch eine runde, fast schwangere Form an, während Arme und Beine eher dünn sein sollten. Im Barock wurde die Frau ähnlich gesehen wie in der Renaissance, mit dem Unterschied der Kleidung. Korsette sollten vollen Körpern Wespentaillen verleihen, damit sie als schön galten.

Wespentaille ohne Korsett

Die Aufgabe, die das Korsett geleistet hatte, sollte später, im 20. Jahrhundert, der Körper selbst leisten. Es hiess also, abspecken bis zur Wespentaille – ohne Hilfe eines Korsetts. Der soziale Druck, den Schönheitsidealen entsprechen zu müssen, war schliesslich der Startschuss für Fitness, Diäten und plastische Chirurgie, wie sie heute bekannt sind.

Heutzutage werden Schönheitsideale stark von den sozialen Medien geprägt. Durch Filter, die in der Mehrzahl der Netzwerke verwendet werden, erhält man eine verzerrte Wahrnehmung der Realität. Es werden perfekte Körper suggeriert, die so nicht existieren. Das führt dazu, dass man diese Abbilder nachahmen möchte, was wiederum das Verständnis von Schönheit prägt und unrealistische Schönheitsideale anstrebt.

Dennoch sind Menschen in unserer Welt offener für alternative Schönheitskonzepte geworden. Individualität und Natürlichkeit werden durch Body-Positivity-Bewegungen, die unter anderem auch auf den sozialen Medien stattfinden, gefördert.

Am Ende bleibt die Frage: Was ist wirklich schön, und wer entscheidet darüber? Die Geschichte zeigt, dass Schönheit immer wieder neu definiert wird und von den Werten der Gesellschaft geprägt ist. Vielleicht bedeutet wahre Schönheit heute, sich von Normen zu lösen und das Einzigartige zu schätzen – jenseits von Trends und Idealen.

 

Text Jelka Zehnder

Bild Pixabay