Die Antwort auf die Frage lautet: Bumbai. Genauer gesagt: Bumbai Bird, berücksichtigt man die Titelwahl des Filmes von Kamal Musale. Aus der Vogelperspektive werden wir begrüsst, aber auch wieder verabschiedet.
Was hat eine unglücklich verheiratete Frau mit einem weltoffenen Polizisten gemein? Wo besteht der Zusammenhang zwischen einem vom richtigen Weg abgekommenen Slumjungen und einer reichen, korpulenten Frau? Was hat ein Rikschafahrer, der sich zu Hause um seinen gebrechlichen Vater kümmert, mit all dem zu tun? Fragen über Fragen, auf die im ersten Moment keine Antworten gefunden werden.
Doch hinter all diesen Schicksalen verbirgt sich eine Gemeinsamkeit: der Tod. Etwas Erschreckenderes oder Endgültigeres gibt es kaum. So wie das Leben mit der Geburt beginnt und mit dem Tod endet, sind auch die meisten Filme aufgebaut. Stirbt jemand, so geschieht dies nach einer geraumen Zeit, unter Tränen wird ein komplexer, lieb gewonnener Charakter verabschiedet, als sei er ein alter Freund. Nicht so in Bumbai Bird. Mit der Wucht eines Vorschlaghammers werden wir ab der ersten Sekunde mit dem Thema konfrontiert, das schon seit Urzeiten eine der grössten Ängste der Menschheit darstellt. Glücklicherweise wird das Geschehen zurückgespult. Erst schleppend, dann immer schneller und weiter entfernen sich die Todgeweihten von ihrem letzten Atemzug wieder hinein in ihr Leben, mit all seinen Wirren. Der Zuschauer erkennt, dass das Leben etwas Einmaliges, von Zufall (oder Schicksal?) bestimmtes ist und in jedem Moment vorbei sein kann. Der Tod kann immer und überall eintreten, manchmal aber auch eine Entscheidung bedeuten.
Kamal Musale gelingt es, Themen, die uns alle betreffen, aus der Sicht verschiedener indischer Glaubensrichtungen darzustellen. Eine beeindruckende Palette an Eindrücken aus dem Leben in einer indischen Grossstadt breitet sich vor uns aus. Der Schein trügt: Denn auch die reiche Frau, die alles hat und niemandem etwas abgibt, leidet unter schweren Gewissensbissen. Was von aussen wie eine harmonische Ehe aussieht, ist in Wahrheit ein Albtraum. Jeder Mensch hat seine Sorgen, die er tagtäglich mit sich herumschleppt. Alles was wir tun hängt von Entscheidungen ab. Wir müssen aufpassen, dass wir sie nicht nur aufgrund von unseren Sorgen fällen.
Malcolm Braff schliesslich rundete das Werk mit seiner eindrücklichen Musik ab, die er bei der Weltpremiere am 06.04.2017 am FIFF persönlich während des Filmes spielte; so passend und exakt, dass man als Zuschauer schnell vergass, dass es sich hierbei um Livemusik handelte.