Der Zugang zur klassischen Musik ist für Studierende oft etwas Fremdes. Wer sich dennoch einen Einblick in die Welt der Klassiker verschaffen will, kann dies jeweils freitagmittags bei den sogenannten „lunch concerts“ machen.
Klassische Musik ist out, insbesondere bei Jugendlichen. Das Interesse an Beethoven, Mozart und Co. hält sich in Grenzen. Sei es mangelnde Werbepräsenz der Konzerthäuser oder der elitäre und konservative Ruf von klassischen Veranstaltungen, gerade Studierende machen für gewöhnlich einen grossen Bogen um solche Konzerte. „Das ist sehr schade“, sagt Andréa Wassmer, Leiterin des Centre Le Phénix in der Rue des Alpes in Freiburg. Sie kämpft dagegen an und bietet der Öffentlichkeit jeweils freitags die Gelegenheit, klassischer Musik näherzukommen. Ganz unverbindlich, ohne elitäre Kleidervorschriften. Krawatte oder Fliege sind aber natürlich trotzdem auch erlaubt.
Verdauungsmusik
„Lunch concerts“ nennt sich das Ganze. Während einer halben Stunde kann man über den Mittag im Dachgeschoss des Centre Le Phénix kostenlos klassische Konzerte besuchen. Zentral sei dabei der freie und dynamische Charakter der Aufführungen. Den Musizierenden sei, was die Gestaltung angeht, absolute Freiheit gegeben. „Für die Künstlerinnen und Künstler ist es eine Möglichkeit, sich in einem intimen Rahmen auszuleben und für die Öffentlichkeit eine Chance, das grosse Repertoire der klassischen Musik kennenzulernen“, so Wassmer. Jeder sei willkommen, Vorkenntnisse brauche man keine, bloss ein offenes Ohr.
Keine Konzert-Etikette
Dem konservativen Ruf der klassischen Musik will auch Estelle Revaz den Kampf ansagen. Am 6. Oktober war sie an der Reihe, die Gäste aus dem Mittagsloch herauszumusizieren. Das Ensemble, das sie derzeitig schweizweit aufführt, heisst „Bach and Friends“. Darin versucht sie mit dem Blickwinkel der Zuhörerinnen und Zuhörer zu spielen, genauer gesagt will sie das Publikum auf eine Klangreise zwischen Tradition und Moderne führen. Das Stück beginnt mit einer kleinen Exkursion in die Musikgeschichte. Bach, der „Vater der Musik für das Solocello“, dient ihr dabei als Bezugspunkt, gar als „Heimathafen“. Seine Musik und deren Wirkungsgeschichte sind eine Erzählung, deren „Menschlichkeit, Offenheit, Eleganz und Schlichtheit“, so Revaz, „jedem zu Herzen geht“. Ihre Spontanität, die schlagartigen Improvisationen und der gesuchte Kontakt zum Publikum zeigen, dass klassische Musik nicht steif sein muss. Hier gibt es keine Konzert-Etikette, die unsichtbare Wand zwischen der Künstlerin und Publikum existiert nicht. Somit beeindruckt die Walliserin nicht nur durch ihre technischen Fähigkeiten. Solche Brüche mit den steifen Vorstellungen sind auch nötig, damit klassische Musik wieder Fuss fassen kann. Konzerte besucht man, weil sie ein soziales Event sind, weil man Emotionen freien Lauf lassen kann. Das rituelle Verhalten, das bei klassischen Veranstaltungen für gewöhnlich verlangt wird, kann solche Bedürfnisse nicht erfüllen. Wenn klassische Konzerte von diesen strikten Regelwerken wegkämen und man klatschen könnte, wenn einem nach dem Klatschen ist, man jederzeit lachen und die Freude an der Musik ausdrücken könne, dann würde die Klassik auch jüngere Leute in den Bann ziehen. Solange Konzerte jedoch mit ausdruckslosen, steifen Zuschauermengen und einem „klatsch-hier-und-nicht-da-Protokoll“ in Verbindung gebracht werden, wird sich an der Beliebtheit dieser nicht viel ändern.
„Musikalische Pause“
Einen ersten Einblick in die oft unbekannte Welt der klassischen Musik bieten die „Lunch concerts“ allemal. Die persönliche Auseinandersetzung mit der Musik ist das Ziel im Centre Le Phénix. Als gemeinnütziger Verein schafft dieser seit nunmehr zwanzig Jahren eine Plattform, auf der Musizierende und Kunstschaffende ihre Kunst üben und ausüben und diese mit der Öffentlichkeit teilen können. Eine tolle Gelegenheit, einfach mal an einem Freitagmittag vorbeizuschauen und in die Welt von Bach und seinen Freunden einzutauchen und eine „musikalische Pause“, wie Wassmer sie nennt, zu geniessen.
Nächste Konzerte:
17. November, 01. Dezember und 15. Dezember, je um 12.15 bis 12.45 Uhr, gratis
Fotocredit: Nikola Stosic