Geschätzt 30’000 Senslerinnen und Sensler leben im mehrheitlich französischsprachigen Kanton Freiburg. Verständnisprobleme gibt es für sie auf beiden Seiten der Sprachgrenze. Janine Rufener, Verantwortliche für die pädagogische Vermittlung des Senlser Museums in Tafers, erklärt Spectrum, woran das liegt.
Woran erkennt man einen Sensler und eine Senslerin?
Äusserlich sieht man es uns zwar nicht an, aber der Dialekt macht Leute hellhörig und wirft Fragen auf. In Bern hat man mich auch schon für eine Walliserin gehalten, unser Dialekt ist nämlich auch schwer verständlich. Aufgrund von Verständnisproblemen passen sich heute viele Sensler und Senslerinnen sprachlich an. Das kann ich verstehen, andererseits ist es aber auch schade, weil damit ein Teil unserer Kultur verloren geht.
Was macht das Senslerdeutsch so besonders?
Senslerdeutsch weist lautliche Besonderheiten auf, die man beispielsweise auch im Althochdeutschen wiederfindet. Grammatikalisch gesehen fallen Akkusativ und Dativ zusammen. So sagt man auf Senslerdeutsch „i kene dier“ statt „ich kenne dich“. Es gibt aber auch viele Gemeinsamkeiten mit anderen Dialekten, besonders mit denen im Wallis oder im Berner Oberland. Andere Einflüsse stammen aus dem Französisch, so sagen wir beispielsweise „Buyotta“ statt„Bettflasche“.
Können Sie persönlich sich an Situationen erinnern, bei denen Ihr Dialekt zu Missverständnissen geführt hat?
Da gibt es viele Beispiele. Als ich noch in Bern arbeitete, wurde ich am Bahnhof nach dem Weg gefragt. Zur Passantin meinte ich, „dett ay müesset ier gaa“ und zeigte in die richtige Richtung. Fragend sah sie mich an und ich habe erst später realisiert, dass sie mich wohl nicht verstanden hat. Viele finden auch das Wort „Pärisou“, mit dem wir Regenschirme bezeichnen, lustig, weil sie stattdessen „Sau“ verstehen. Eine andere Geschichte kenne ich von einem Vorgesetzten im Militär, der zu seinen Soldaten meinte, sie sollen sich „tuusche“, also umziehen. Diese machten sich daraufhin auf den Weg zur Dusche. Aber schon innerhalb des Sensebezirks gibt es sprachliche Unterschiede, man hört, ob jemand aus Düdingen oder Plaffeien stammt.
Sprache ist identitätsstiftend. Sie zeigt, wer wir sind, woher wir kommen und wie wir uns sehen. Für mich ist es daher wichtig, meinen Dialekt ausleben zu können. Allgemein sollte die Diversität der Sprache gepflegt werden, denn Sprache beeinflusst viele Bereiche unseres Lebens.
Ist die Dialektpflege also Aufgabe des Sensler Museums?
Unter Anderem. Im Prinzip ist das Museum Erinnerungsort von Kultur, zeitgenössische wie vergangene. Allerdings darf man nicht vergessen, dass sich Sprache kontinuierlich weiterentwickelt. Altes und Neues verhält sich nicht gegensätzlich zueinander. Mit jeder neuen Generation verliert die Sprache etwas und gewinnt andere Aspekte dazu. Unsere Aufgabe ist es, diese Entwicklung festzuhalten.
Die Stadt Freiburg will Deutsch vorerst nicht als offizielle Sprache annehmen. Wie ist der Sprachkonflikt aus Sicht einer Senslerin zu bewerten?
Wir können im Sinne der Zweisprachigkeit nur voneinander profitieren. Deutsch und Französisch müssen sich nicht gegenseitig ausschliessen. Zum Beispiel fragen auch französischsprachige Klassen nach Museumsworkshops zum Senslerdeutsch. Bei Verständnisproblemen wird einfach auf Hochdeutsch ausgewichen. Ich lege bei der Vermittlung Wert darauf, die vielzähligen französischen Einflüsse auf das Senslerdeutsch aufzuzeigen. So stammt beispielsweise der Ausdruck tampi vom französischen tant pis. Auf kantonaler Ebene ist die Beziehung zwischen den beiden Sprachen schwieriger. Das Sensler Museum bemüht sich aber, auch auf Französisch Informationen anzubieten. Statt auf Konkurrenz setzen wir auf Ergänzung – das ist eine Bereicherung für alle.
Zum Schluss: Was ist Ihr Lieblingswort?
(Lacht) Nur ein Wort? Das wäre wohl „hùi“, eine Verstärkung. Das ist so ein schöner Ausdruck. Ausserdem merken alle, dass ich aus dem Sensler Oberland stamme.