Das Kunsthaus Zürich präsentiert die Sammlung Emil Bührles und Kritik prasselte auf sie herab. Was hat sie mit Raubkunst und Verharmlosung des Nationalsozialismus zu tun?
In seinem Erweiterungsbau zeigt das Kunsthaus Zürich die Sammlung Emil Bührle. Rund 170 Werke des bedeutenden Kunstsammlers können betrachtet werden – Meisterwerke des Impressionismus, der Moderne, des Kubismus und Skulpturen des Mittelalters reihen sich aneinander. Darunter finden sich berühmte Maler wie Pablo Picasso, Vincent van Gogh oder Claude Monet. Jedoch sieht sich die Ausstellung schon seit letztem Jahr mit Kritik konfrontiert.
Emil Georg Bührle
Bührle wurde 1890 in Baden-Württemberg geboren. Er studierte in Freiburg im Breisgau Philologie, später wandte er sich in München der Kunstgeschichte zu. Nebenbei besuchte er viele Museen und Ausstellungen. Auf seiner Berlinreise im Jahre 1913 entdeckte er den französischen Impressionismus für sich. Dies sollte auch den Grossteil seiner späteren Kunstsammlung darstellen.
1924 zog er mit seiner Familie aufgrund seiner Position in der chweizerischen Werkzeugmaschinenfabrik nach Zürich. Länger als erwartet blieb Bührle in der Schweiz und erwarb 1937 das Schweizer Bürgerrecht. Im selben Jahr übernahm er die Leitung der Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon Bührle & Co (WOB).
Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges lieferte ebendiese Munition an die britischen und französischen Armeen. Nach der Besetzung Frankreichs lieferte die WOB in Abstimmung mit dem Schweizer Bundesrat Waffen an das nationalsozialistische Deutsche Reich im Wert von 540 Millionen Franken. Über 3000 Mitarbeiter waren zeitweise für die Lieferungen an die Achsenmächte angestellt.
Doch zu Bekanntheit gelangte Emil Bührle überwiegend mit seiner Kollektion verschiedenster Kunstwerke. Neben seiner Tätigkeit als Unternehmer schaffte er es, sich bis zu seinem Tod 600 Kunsterzeugnisse anzueignen, wenn auch nicht immer gesetzestreu.
Kunstraub – Raubkunst
Unter den Gemälden und Skulpturen seiner Sammlung befanden sich auch unrechtmässig erworbene Werke. Unter dem Begriff Raubkunst versteht man Kunst, die von dem NS-Regime beschlagnahmt wurde: Die Gesetzesgrundlagen für die Beschlagnahmungen waren rassistisch, religiös und politisch motiviert. Betroffen waren Werke, die von den Nationalsozialist*innen als «entartete Kunst» identifiziert wurde. Dazu gehörten vor allem Werke von Künstler*innen jüdischer Herkunft.
In der Zeit des Nationalsozialismus wurden somit rund 600’000 solcher Werke ihren Besitzer*innen gestohlen und teils verschenkt, vernichtet, angeeignet oder in Auktionen versteigert. So erging es auch einigen Werken in Bührles Kunstschatz. Nach dem Krieg wurden 13 seiner 150 Kunstwerke als Raubkunst oder Fluchtgut identifiziert und er musste sie an die rechtmässigen Eigentümer*innen zurückgeben. Von letzteren erwarb er neun der ursprünglich gestohlenen Werke ein zweites Mal mit dem Unterschied, dass die Einnahmen diesmal an die tatsächlichen Besitzer*innen gingen.
Noch heute stützt sich die Stiftung Bührle auf das Argument, er habe immer über den rechtmässigen Kunsthandel Werke erworben und sich zudem über deren Ursprung informiert. Historiker*innen sehen das anders. Die Hintergründe von 90 Werken der Sammlung bleiben ungeklärt, die Stiftung selbst kann sie nicht nachvollziehen.
Ausstellung
Neben der problematischen Tätigkeit des Sammlers in Kriegszeit und den ungeklärten Hintergründen der Werke musste sich auch das Kunsthaus Zürich Kritik aussetzen. Kritiker*innen warfen dem Museum vor, den politischen Kontext der Zeit sprachlich zu verharmlosen und die Tatsachen nicht klar zu benennen. Im Digitorial geht das Kunsthaus nun auf die Hintergründe der Sammlung und das Leben Emil Bührles ein und stellt exemplarisch Werke der Raubkunst bzw. des Fluchtguts vor. Somit hat bereits eine gewisse Aufarbeitung stattgefunden, doch sollte man sich mit dem Nachtrag zufriedengeben?