Am Mittwochabend dem 12. April fand in der Amboss Garage in Zürich der monatliche Poetry Slam statt. Der zweitletzte der Saison, bei dem sich die Slamer*innen traditionell um eine Flasche Whisky texteten.

Von urkomisch bis tiefgründigen Gedanken

Neben dem Zürcher Brockenhaus entlang den Gleisen, die zum nahegelegenen Zürcher Hauptbahnhof führen, befindet sich das Eventlokal Amboss Garage. Einmal im Monat findet hier ein Poetry Slam statt wie an jenem Mittwochabend, dem 12. April. Die Garage führt beim Eintreten in einen in orange-gelbes Licht getauchten Raum. Die Möblierung ähnelt der einer Brockenstube, gefüllt mit alten Schränken, Kommoden und zwei pompösen Kronleuchtern an der Decke. Daneben hängen grosse, metallige Pendelleuchten im Industriestil, die an ein Schlachthaus erinnern und einen Kontrast zu den Kronleuchtern bilden. Ein etwas düsteres und doch gemütliches Ambiente. Durchaus passend für einen Poetry Slam. Denn wie bei der Innenausstattung der Garage sind den Texten an einem Poetry Slam inhaltlich kaum Grenzen gesetzt. Von urkomischen bis tiefgründigen Gedanken oder/und makabren Witzen ist alles erlaubt, solange es aus eigener Hand geschrieben wurde oder anderenfalls zitiert wird.

 

 

Mit eigenem Text und Mikrofon um eine Flasche Whisky

Die Reihen sind bereits für das Publikum gestuhlt, das vor der Show verteilt im Raum herumsteht. Die meisten mit einem Bier in der einen Hand, währendem die andere gestikuliert. Es wird diskutiert und gelacht, noch bevor der erste Reim gefallen ist und der Slam begonnen hat. Wobei sich die Worte in einem Poetry Slam nicht reimen müssen. Bedingung ist, dass er eigenhändig geschrieben, weniger als 50% davon gesungen und ohne Requisiten vorgetragen wird. Jetzt ist die Bühne aber noch leer. Nur das Mikrofon steht einsam auf dem Holzparkett vor der Leinwand und an einer Tafel sind die Namen der Slamer*innen zu lesen. Daneben blitzt die gold-braune Farbe einer Flasche Whiskey auf. Sie ist traditionell der Hauptgewinn eines Poetry Slams, der seinen Ursprung in den USA hat. In den meisten Fällen wird die Flasche im Anschluss an den Slam freundschaftlich auf Shotgläser verteilt und durch die Runde gegeben wie sich im Verlauf des Abends zeigt.

 

Die wichtigste Regel: Respect the poet.

Eine weitere Regel an einem Poetry Slam ist die Zeitlimite von fünf bis sechs Minuten pro Slam. Die Moderator*innen wählen zu Beginn vier bis fünf Leute aus dem Publikum in die Jury. Diese bewerten jeden Auftritt bis auf das Finale auf einer Skala von eins bis zehn. Es wird getuschelt und nervöse Blicke im Publikum ausgetauscht, bis die Zeit rum ist und alle hektisch ihre Zahlenschilder hochstrecken. Bei der finalen Runde entscheidet schliesslich das gesamte Publikum anhand der Stärke des Applauses, wer gewonnen hat und die Amboss Garage tobt.  Die wichtigste Regel an einem Slam ist jedoch: Respect the poet.

Bevor der Slam beginnt, sitzen die Poet*innen in grossen Sesseln und samtüberzogenen Sofas. Die einen lachen nervös, die anderen sind in ein Gespräch vertieft oder trinken einen Schluck Bier. Dann ist ein lauter, hoher Ton zu hören. Das Mikrofon wird eingeschaltet und die Show beginnt:

 

Wo zuvor noch Stimmen zu hören,

ein Gewusel und Gefusel war,

ist es nun still.

Bis der Moderator die Stille bricht,

den ersten Poeten des Abends ankündigt,

bevor er zur Seite tritt

und der erste Poet des Abends springt auf die Bühne und erfrischt,

mit seinem breiten Berndeutsch

und seinem fantasiereichen und humorvollen Text

über eine Begegnung mit einem Bären, das Publikum.

Darauf folgt ein Wortgemetzel über die Revolverhelden und Gedankenkarussells am Morgen,

trockene Augen trotz traurigen Männerherzen

oder warf ein Blick auf die letzte Technoparty

durch schnelle Brillen in all ihren Formen und Farben.

Mindset-Mut und Panzerschokolade, was eine Parade,

bei der sich im Finale alle um den Appenzeller Whisky streiten

und die Worte wie Fetzen um die Slamer*innen fliegen.

Zuerst von der verkorksten Idee einer Gesellschaft

immer mehr anzustreben und den Tag zu füllen,

Aber die Work-Life-Balance, wer hat die schon,

die ist doch egal, alles top.

Alles nur eine Frage des Mindsets, bis zum Flop.

Doch kommen auch ernstere Themen auf

über den Feminismus und das alleine nach Hause gehen oder rennen

und kann auch mal etwas politischer sein.

So wie die Ode an die AFD, die zum Schreien ist,

inszeniert als Kochshow, wo es die Rezeptangaben strengstens zu befolgen gilt,

sodass sie alle einen Schnurrbart tragen

währendem sie den Zutaten hinterherjagen

etwa der Panzerschokolade.

Zuletzt entscheidet das Publikum

mit viel Geklatsche und tosendem Applaus,

dass es heute der Berner Bär ist,

der sich den Whisky verdient.

Doch der Whisky wird zum Schluss

unter den Slamer*innen geteilt, zu aller Genuss.

Text und Foto: Ella Lory

Beitragsbild: Unsplash