Seit 1958 regt uns Spectrum zum Nachdenken und zur Diskussion an. Ein kleiner Streifzug durch das Archiv. 

«Ich kann es nicht mehr ertragen, liebe Freunde, wenn ich in anderen Schweizerstädten höre, wir hätten eine feige und träge Masse an unserer Universität.» So beschwerte sich Nico Blanc, der Präsident der Academia, welche die Vorläuferorganisation der AGEF bildete. Die Lösung lag für ihn auf der Hand: eine «Uni-Zeitung» müsse her. Tatsächlich finden sich diese Worte in der ersten Ausgabe unseres Spectrums vom 11.November 1958. Damit wurden 65 Jahre ununterbrochene Publikationstätigkeit eingeläutet.

Konstante Veränderung eines konstanten Themas

Die erste Edition umfasste knappe fünf Seiten und sollte vor allem über die Academia informieren. Die wenigsten wüssten, dass es eine solche Studierendenvertretung gäbe und «was mit den vier Franken gemacht wird» die dafür berechnet würden. Eine Studierendenzeitung ist allerdings eine höchst wandelbare Entität und jede Generation an Redakteur*innen drückt ihr ihren eigenen Stempel auf. Das lässt sich bei Spectrum schon am Format erkennen. Vom ursprünglichen blau-weiss eingebundenen Heftchen in A5, über die grossen Editionen der Siebzigerjahre im Berliner Zeitungsformat, bis zur bunten Aufmachung unserer heutigen Zeitschrift ist alles schon einmal dabei gewesen. Worüber jedoch stets Einigkeit geherrscht hat, sind die Anforderungen an eine Uni-Zeitung. So soll das Spectrum seit je «ein Mittel zum Austausch von Ideen sein», «das Gespräch an unserer Universität fördern», und «zur Diskussion auffordern». Was dann aber genau die Ideen sind über die diskutiert werden soll, hat sich im Laufe der Zeit drastisch gewandelt.

Von der katholischen Bastion gegen die Rote Gefahr…

Im Januar 1959 druckte Spectrum einen Kommentar der Präsidentin des katholischen Frauenbundes ab, der sich mit einer brennenden Frage befasste: «Soll eine Frau studieren?». Auch drei Jahre nachdem Frauen erstmalig zum Theologiestudium zugelassen worden waren, sah man offensichtlich immer noch Anlass dazu diese Diskussion zu führen. Die klare Antwort der Präsidentin lautete: Ja, denn «jeder akademische Beruf [kann] auch Frauenberuf sein, wenn die Akademikerin das Streben nach fachlich einwandfreier Arbeit verbindet mit der Entfaltung ihres fraulichen Wesens». Diese Anekdote zeigt wie die Universität und ihre Student*innen sich noch bis in die Sechzigerjahre als explizit katholische Institution verstanden haben. Dazu gehörte auch der Kampf gegen «die Bedrohung durch den Kommunismus», wie es der Präsident des Schweizerischen Studentenvereins in einem Beitrag von 1960 formulierte. Man möge sich doch bitte am 21.Juni bei der Erstaufführung des Spielfilms «Orwell: Aufstand der Tiere» im Auditorium B ein Bild von der Niedertracht der «Roten Moral» machen.

 

 

… zur sozialistischen Speerspitze der 68er

Kaum acht Jahre später hätte der Tenor kaum unterschiedlicher sein können. Mit Stolz beanspruchte man nun für sich die Anschuldigung, eine «kleine linksextremistischen Gruppe von Spectrum-Redaktoren» zu sein. Zwischen 1968 und 1970 verstand sich Spectrum als die Speerspitze im Kampf gegen die Erhöhung der Vorlesungsgebühren und um mehr studentische Mitspracherechte. «Verteilung des Reichtums» und «Verfügungsgewalt über die Arbeitskraft» sind Schlagworte, die das Studierendenmagazin in diesen Jahren prägen . Ein programmatischer Artikel  vom Februar 1969 titelte «Contre la culture, l’école et le système capitaliste». Das ging dann auch der Academia zu weit. Als Eigentümerin zwang sie Spectrum in der darauffolgenden Ausgabe einen offiziellen und konservativen Bericht über die Notwendigkeiten von universitärer Reform, den Schwander-Rapport, in seiner Gänze abzudrucken. «Eine höchst wirksame Art von Zensur», hiess es im Editorial. Der Streit gipfelte in einem Spectrum-Beitrag, der die Auflösung der Academia forderte und dabei hämisch auf die niedrige Wahlbeteiligung von 7.9% der letzten Studentenvertreterwahl hinwies.

 

So aktivistisch ist es seither selten geworden. Dennoch hat Spectrum seinen Auftrag stets erfüllt, allein die Schwerpunkte wurden anders gesetzt. Die Einführung der Rubrik «Sexualität» im November 2020 und kurze Zeit später diejenige des «Grünen Blatts», zeigen welche Themen uns heute besonders zur Diskussion anregen. Damit ist die Uni-Zeitung eben auch Spiegel der Gesellschaft. Eines scheint jedoch unverändert: Was die AGEF genau macht, ist auch heute noch den meisten Studierenden ein Rätsel.

 

Text und Foto Max Mosbacher