Der Schweizer Film «Bon Schuur Ticino» spielt mit der Idee einer einheitlichen Landessprache – wie dadurch die Vielfalt und damit die nationale Verbundenheit gefährdet würde.

Die erfolgreiche Schweizer Komödie «Bon Schuur Ticino» thematisiert mögliche Probleme, die aufgrund der Abschaffung der Mehrsprachigkeit in der Schweiz entstehen könnten. Im Film wird aus der «No Billag Initiative» die «No Bilingue-Initiative». Das Schweizer Stimmvolk soll darüber entscheiden, welche der vier Amtssprachen in der Schweiz als offizielle Sprache gesprochen werden soll. Das Abstimmungsresultat nimmt entgegen der Hoffnung des Deutschschweizer Bundespolizisten Walter Egli eine unerwartete Wendung: Französisch wird zur neuen Landessprache gewählt. Damit hat der Deutschschweizer Bundespolizist Walter Egli nicht gerechnet. Innerhalb einer halbjährigen Umsetzungsfrist soll er dafür sorgen, dass das neue Gesetz in allen Teilen der Schweiz realisiert wird. Selbst das Büro von Egli bleibt nicht verschont. Egli, der gerade mal «Oui» und «Non» auf Französisch beherrscht, soll fortan nur noch Französisch sprechen. Seine Lernerfolge sind jedoch spärlich. Er wird deshalb von seinem Vorgesetzten ins Tessin strafversetzt. Dort lernt er an einer Kundgebung gegen das erfolgte Abstimmungsresultat die junge, lebensbejahende Francesca kennen. Zwischen Egli und Francesca bahnt sich eine Romanze an. Walter Egli muss sich entscheiden: die Rebellen zu überführen und sich als Bundespolizist zu erkennen geben oder beim geplanten Anschlag mitzumachen.

Problem: Rösti- und Polentagraben

Kurz nach Annahme der Initiative erfolgt die Umstellung der gesamten Infrastruktur. Schnell wird klar, dass die alltägliche Kommunikation nicht nur aufgrund der neuen Landessprache zur Herausforderung wird: Der Film zeigt die Problematik des bestehenden Rösti- und Polentagrabens in der Schweiz in einem bisher ungekannten Ausmass.

Die Aufhebung der verschiedenen Landessprachen und somit der drohende Verlust der lingual und kulturell stark gelebten Vielsprachigkeit der Schweiz droht einen Kulturkampf zwischen den drei Landesteilen zu entfachen.

Auch in der Realität manifestieren sich derartige Grenzen. Umfragen haben gezeigt, dass Schweizer Bürger:innen  eine starke Verbundenheit gegenüber ihrer eigenen Sprache und Kultur empfinden. Vielfach dominieren Vorurteile das Bild der Schweizer Bürger:innen in den anderen Sprachregionen. Insbesondere würden Deutschschweizer:innen dazu neigen, Westschweizer:innen als angeberisch oder egoistisch zu betrachten. Das Tessin würde in der deutschen Schweiz oft als Teil von Italien wahrgenommen. Jenseits des Rösti- und Polentagrabens sieht es nicht besser aus. Westschweizer:innen würden Deutschschweizer:innen häufig als verbissen und humorlos ansehen. Die Tessiner Bevölkerung würde die Deutschschweizer:innen als «Zucchini» bezeichnen, während die Westschweizer:innen nur als «i Romandi» bekannt seien.

 

v. l. n. r.: Francesca Gamboni (Catherine Pagani), Walter Egli (Beat Schlatter) und Jonas Bornand (Vincent Kucholl) auf dem Weg, den Schweizer Bürgerkrieg zu verhindern.

 

Die Schweiz lebt ihre vier Amtssprachen

Noch vor der Abstimmung der «No Bilingue-Initative» sind alle Schweizer:innen in «Bon Schuur Ticino» davon überzeugt, die Sprache ihres Landesteils würde zur neuen Landessprache gewählt. Alle sind felsenfest davon überzeugt, dass ihre Sprache die beste sei. Spiegelt sich diese Überzeugung auch in der Realität wider?

Die Überzeugung, dass die eigene Sprache und Mentalität besonders wichtig seien, zeigt sich bereits bei Wochenendausflügen in andere Sprachregionen der Schweiz. Deutschschweizer:innen machen nur ungern von ihren Französischkenntnissen Gebrauch. Im Tessin wird gar nicht erst versucht, Italienisch zu sprechen. Westschweizer:innen versuchen es  zuerst in ihrer Sprache und plaudern in der Deutschschweiz munter Französisch. Beide Sprachgruppen ziehen es vor, sich zunächst in der ihnen vertrauten Sprache zu verständigen. Dadurch findet nur begrenzt Anpassung in anderssprachigen Kantonen statt. Eine Spaltung der Gesellschaft scheint vorprogrammiert.

Klar wird dadurch, dass die einzelnen Landesteile an ihren Ritualen, Traditionen und vor allem an ihrer Sprache hängen. Diese sprachliche und mentale Diversität der Schweiz trägt ihren Teil zum Rösti- respektive Polentagraben bei. Auf der anderen Seite spiegelt sich darin auch die kulturelle und geographische Vielfalt des Landes wider.

Im Film erkennen Francesca Gamboni, Walter Egli und Jonas Bornand erst in letzter Sekunde die Wichtigkeit dieser Vielfalt. Durch Zusammenarbeit gelingt es den dreien, die drohende Spaltung mit viel Mühe und geschickten Strategien abzuwenden.

Glück gehabt, die Schweiz existiert noch!

 

Text Emanuelle Cohen

Foto Spotlight Media Productions