Sprachbarrieren sind in der Schweiz und vor allem in Freiburg keine Seltenheit. Ein Schritt Richtung Barrierefreiheit stellt das Konzept der Einfachen Sprache dar.
Seit Februar 2024 stellt der Kanton Freiburg seine Willkommensbroschüren in 12 Sprachen zur Verfügung – neben Sprachen wie Türkisch, Arabisch, Tigrinya und Englisch gesellen sich nun auch Dokumente in sogenannter «Leichter Sprache» dazu. Doch was genau verstehen wir unter Leichter oder Einfacher Sprache? Und für wen ist sie besonders nützlich?
Was ist Leichte oder Einfache Sprache?
Das Kompetenzzentrum Leicht und Einfach (www.leichtundeinfach.ch), welches in Bern ansässig ist, definiert Leichte Sprache als sehr stark vereinfachte Form einer Sprache, in diesem Falle Deutsch. Sie entspricht ungefähr dem Niveau A1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GER). Dies stellt eine elementare – noch sehr eingeschränkte – Sprachverwendung dar. Sprechende oder Lernende auf dieser Stufe sind in der Lage, «vertraute, alltägliche Ausdrücke und ganz einfache Sätze (zu) verstehen und (zu) verwenden, die auf die Befriedigung konkreter Bedürfnisse zielen», spezifiziert die Globalskala des GER. In langsamen und deutlichen Gesprächen können die Teilnehmenden sich auf einfache Art verständigen sowie über ihre Person und ihr Gegenüber grundlegende Aussagen formulieren, beispielsweise bezogen auf den Wohnort, so der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen in seinem Leitfaden aus dem Jahr 2001.
Das Konzept der Leichten Sprache unterscheidet sich – in den Augen des Kompetenzzentrums Leicht und Einfach – vom Konzept der Einfachen Sprache. Diese zweite Bezeichnung umfasst bereits die Lesestufen A2 oder B1. Sprechende beziehungsweise Lernende stehen an der Schwelle von einer elementaren zu einer selbstständigen Sprachverwendung. Anders gesagt lösen sich Sprechende auf dieser Stufe allmählich von festen Phrasen mit austauschbaren «Slots», die je nach Kontext mit neuen Wörtern oder Wortgruppen gefüllt werden. Mit umfangreicheren Kompetenzen beginnen Sprechende, selbst auf Basis gelernter Grammatik und des bis dahin angesammelten Wortschatzes Sätze zu bilden. Die Globalskala des GER charakterisiert diese Sprachstufen durch folgende Fähigkeiten:
Auf einem Niveau A2 können Sprechende «Sätze und häufig gebrauchte Ausdrücke verstehen, die mit Bereichen von ganz unmittelbarer Bedeutung zusammenhängen». Oft geht es dabei um routinemässige Handlungen wie Einkaufen und Arbeit oder Themen wie Familie, Herkunft und die direkte Umgebung.
B1-Sprechende können bereits die meisten Situationen bewältigen, denen sie auf Reisen im jeweiligen Sprachgebiet ausgesetzt sind. Sie sind auch in der Lage, sich über persönliche Interessen auszutauschen und zusammenhängend von Ereignissen oder Zielen zu berichten. Allmählich beginnen sie, Begründungen in ihre Sprachanwendung einzubauen und erste Argumentationen in ihrer Zielsprache zum Ausdruck zu bringen.
Wem nützt sie?
Die Prinzipien der Leichten oder Einfachen Sprache dienen vor allem den Menschen mit Leseschwierigkeiten, körperlichen und geistigen Behinderungen sowie zugezogenen Menschen mit anderen Muttersprachen. Für Letztere bilden sie eine einfache Grundlage, in der lokalen Sprache anzuknüpfen und sich schneller sprachlich zu integrieren. In diesem Artikel konzentriere ich mich auf genau diese Gruppe.
Der Kanton Freiburg und seine Sprachen
Wie bereits eingangs erwähnt, hat der Kanton Freiburg nun sein Angebot an Willkommensbroschüren durch zwei Dokumente in Einfacher Sprache erweitert. Im Folgenden sprechen wir nach der Definition des Kompetenzzentrums Leicht und Einfach von Einfacher Sprache statt – wie der Kanton es handhabt – von Leichter Sprache, weil diese Broschüren einem Sprachniveau von A2/B1 entsprechen.
Die Broschüren finden sich einerseits bei der Fachstelle für die Integration der MigrantInnen und für Rassismusprävention. Andererseits gibt es sie auch auf der Internetseite des Staats Freiburg oder über mehrmaliges Klicken auf der Webseite der Stadt Freiburg. Jedoch ist der Zugang zu diesen Dokumenten eher umständlich und eventuell unersichtlich für betroffene Personengruppen. Uns liegen keine Informationen vor, ob vielleicht in Zukunft die PDF-Dateien dieser Willkommensbroschüre auf der Homepage deutlicher hervorgehoben werden.
Eine Möglichkeit, wie beispielsweise Migrant:innen dennoch Informationen zu ihrem Aufenthalt in Freiburg erhalten können, ist das breite Angebot an Übersetzungen, welche die Webseite der Stadt bietet. Neben Deutsch und Französisch in ihren Standardsprachen ist die Internetseite ebenso zugänglich in Englisch, Spanisch, Italienisch, Portugiesisch, Arabisch, Tigrinya, Türkisch und Serbisch. Ob die Stadt oder der Kanton sich vorstellen kann, auch die Navigation in Einfacher Sprache anzubieten, blieb bis heute unbeantwortet.
Neben den bürokratischen Institutionen des Kantons gibt es aber durchaus andere Unterstützungsangebote für zugezogene Menschen anderer Muttersprachen. Vereine wie DeLiF, LaRed, das Rote Kreuz oder die Gruppe UNA an der Universität bieten Sprachkurse und Räume für einen interkulturellen Austausch an. Dennoch ist die Anwendung von Materialien in Leichter oder Einfacher Sprache nicht weit verbreitet.
Ein Leseclub für Einsteiger:innen
Einfache Sprache hat das Potenzial, Migrant:innen einen leichteren Zugang zu ihrer Zielsprache zu gewähren und sie mit kleineren Schritten auf ihrem Weg des Spracherwerbs zu unterstützen. Jedoch wird sie abseits der Bürokratie kaum verwendet. Ein gutes Beispiel, wie sie noch gezielt eingesetzt werden kann, ist ein Leseclub im Osten Deutschlands.
Ich selbst habe von 2019 bis 2021 beim Leseclub «Lesen ohne Grenzen» in Cottbus mitgewirkt. Diese Initiative wird vom Staatstheater gefördert und findet auch in einem Theatergebäude statt. Muttersprachler:innen und Migrant:innen treffen sich jede Woche bei Tee und Plätzchen, um gemeinsam in der Gruppe Bücher zu lesen. Viele der ausgewählten Bücher sind in Einfacher Sprache verfasst, weisen also einfache Grammatikstrukturen und nicht allzu herausforderndes Vokabular auf. Eine nicht-muttersprachliche Person liest immer einen kurzen Abschnitt laut vor, im Anschluss korrigieren die Muttersprachler:innen die Aussprache und klären linguistische und inhaltliche Fragen.
Abgesehen von dem sprachlichen Verständnis trainieren die Nicht-Muttersprachler:innen auch ihre eigene mündliche Produktion; sie stellen Fragen, beantworten diese teils gegenseitig oder erzählen Anekdoten, die mit dem Inhalt des Textes in Zusammenhang stehen. So ergeben sich immer wieder intensive Diskussionen über die deutsche Kultur, über Zwischenmenschliches, über die Herkunftsländer wie Syrien und Afghanistan oder über den Alltag. Viele der aktiven Mitglieder profitieren stark von diesem Austausch und verbessern stetig ihre allgemeinen Sprachkompetenzen.
Wo die Bücher in Einfacher Sprache nicht genügen, um den Wissensdurst zu stillen, greifen die Organisator:innen gelegentlich auf Bücher oder Poesie in Standardsprache zurück. Ausserdem finden sich vereinzelt Mitglieder abseits des Leseclubs zusammen, um berufsspezifische Dialoge zu üben und die Migrant:innen bei ihrem Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt zu begleiten. Unterm Strich bietet solch eine Initiative verschiedene Möglichkeiten der Unterstützung und formt langanhaltende Freundschaften zwischen Menschen verschiedenster Kulturen.
Zukunftsvisionen
Für Freiburg wären solche Initiativen auch denkbar, in der Stadt wie auch an der Universität. Literatur hat das Potenzial, sprachliches Wissen zu vermitteln, aber auch über Kultur, Politik, Stereotypen, Geschichte, menschliches Empfinden und die Gesellschaft aufzuklären. Zugezogene erfahren mehr über die Region, das Land oder gar den Kontinent, wenn sie über literarische Impulse mit Ansässigen diskutieren können. Ich kann mir auch vorstellen, dass ein solches Angebot auch diejenigen anlockt, die eher zurückhaltend sind und sich über das Lesen langsam herantasten – an die Sprache, an neue Menschen oder generell ungewohnte Erfahrungen. Bei Sprechcafés oder Spieleabenden gilt doch ein Grossteil des Fokus auf einer sehr offenen und involvierten Gesprächshaltung, was am Anfang überfordernd und einschüchternd sein kann.
Fazit: Einfache Sprache ist noch lange nicht so allgegenwärtig, wie sie sein könnte, und in vielerlei Hinsicht wird ihr Potenzial unterschätzt. Mit einem gesteigerten Bewusstsein für dieses Mittel der Integration können wir jedoch die Barrieren der weniger Privilegierten in unserer Gesellschaft senken und ihnen den Weg ein Stückchen ebnen.
Text und Illustration Helene-Shirley Ermel
Interessierte können mithilfe dieses QR-Codes die Willkommensbroschüre des Kantons Freiburg in Einfacher Sprache begutachten: