Weder Pflanzen noch Tiere – sie bilden ihr eigenes Reich. Wie Pilze von ihrer wichtigen Verwerterrolle in der Natur bis hin zur Bereicherung unserer Küche im Alltag unverzichtbar sind.

Sowohl als Freizeitbeschäftigung als auch zur geschmacklichen Verfeinerung unserer Mahlzeiten – das Pilzesammeln hat in zahlreichen Weltregionen eine lange Tradition. Von Generation zu Generation werden Wissen und Erfahrungen über verschiedenste Sorten und deren Standorte weitergegeben. Oft sind es die Grosseltern oder die Eltern, die ihren Sprösslingen beibringen, welche Pilze essbar sind und wie oder wo man sie sicher sammelt. Um damit erfolgreich zu sein, braucht es aber mehr als nur ein gutes Auge – das Sammeln von Pilzen erfordert fundiertes Wissen über das Ökosystem und eine richtige Identifizierung der Pilzarten.  Viele Sammler:innen bereiten sich deshalb sorgfältig vor: Sie nutzen Pilzbestimmungs-Apps, lesen Fachbücher oder nehmen an Mykologie-Tagungen teil. Dieses Engagement zeigt sich nicht nur in der Leidenschaft für das Sammeln, sondern auch in einem wachsenden Bewusstsein für den verantwortungsvollen Umgang mit der Natur. Was macht das Sammeln von Pilzen so beliebt?

Das Glück liegt in den kleinen Pilzen

Pilzesammeln ist längst mehr als die blosse Suche nach einem schmackhaften Abendessen. Es ist ein Ritual, das Generationen verbindet. Eine Gelegenheit, Zeit mit Familie und Freund:innen inmitten der Natur zu verbringen. Der Wald wird zum Treffpunkt, wo Wissen über die Geheimnisse der Natur geteilt und neu entdeckt wird. Das Handy bleibt oft zu Hause, denn die Natur bietet genug Überraschungen: Farbenfrohe Pilze ragen aus dem Moos, während bizarre Pilzstrukturen wie kleine Kunstwerke die Baumstämme zieren. Diese ästhetischen Wunder der Natur wirken wie ein lebendiges Museum. Die Freude an der Entdeckung ist nicht das Einzige, was zählt; ebenso entstehen dabei Geschichten. Ein Fund wird gefeiert und die Vorfreude auf die Zubereitung wächst mit jedem Schritt. Aber Achtung: Viele Pilze sehen sich zum Verwechseln ähnlich. Während der Pilzsaison wird deswegen immer wieder dazu aufgerufen, die Pilze unbedingt von einer Kontrollstelle begutachten zu lassen. Dies nicht nur wegen möglichen Verwechslungen mit giftigen Pilzen, sondern auch um ältere und somit nicht mehr geniessbare Pilze auszusortieren.

Eine reiche Ausbeute an Maronenröhrlingen, Pfifferlingen und Steinpilzen beim Pilzesammeln im Berner Oberland

 

Schwammige Heilkraft

Seit jeher gelten Pilze als Wundermittel zur Stärkung eines geschwächten Immunsystems sowie zur Stabilisierung des Blutdrucks. Pilze sind zudem reich an Mineralstoffen wie Kalzium, Magnesium oder Zink und enthalten verschiedene Vitamine, insbesondere der B-Gruppe. Nebst ihrer Rolle als Naturheilmittel sind Pilze unverzichtbare Akteure in unserem Ökosystem. Als natürliche Recycler zersetzen sie abgestorbenes organisches Material und tragen damit zum Nährstoffkreislauf bei. Viele Pilzarten leben in Symbiose mit Pflanzen: Mykorrhiza-Pilze fördern die Wasser- und Nährstoffaufnahme von Waldbäumen und Kulturpflanzen, ohne die ganze Ökosysteme, einschliesslich unserer Wälder und Ackerflächen, nicht überleben könnten. Sie unterstützen damit die «Primärproduzenten», die mittels Photosynthese die Grundlage für das gesamte Nahrungsnetz schaffen.

Die lange Tradition des Pilzesammelns ist nicht nur kulturell und gesundheitlich, aber auch wirtschaftlich bedingt. In Ländern, wo die gebirgige Topografie oft die landwirtschaftliche Ertragskraft einschränkt, war die Landwirtschaft häufig nicht ausreichend in der Lage, die Bevölkerung zu ernähren. Pilze überbrückten Zeiten, in denen die Ernte spärlich ausfiel, und übernahmen damit eine wichtige Rolle in der Ernährungssicherung.

Das Superfood von morgen  

Die Bedeutung der Pilze zeigt sich sowohl in ihrer Stabilität und Funktionalität für die Grundlagen des Lebens, sondern auch auf unserem Teller. Pilze gewinnen in globalen Ernährungskonzepten zunehmend an Bedeutung – und das aus gutem Grund: Angesichts der ökologischen Herausforderungen und Konsequenzen der fleischlastigen Ernährung bilden sie eine nachhaltige und köstliche Alternative zu Fleischgerichten. Immer mehr Start-ups setzen auf Pilze als allgegenwärtige Nährstofflieferanten und arbeiten daran, sie als vielseitigen Fleischersatz in unseren Küchen zu integrieren. Ihr einzigartiger Umami-Geschmack und die fleischähnliche Textur machen sie zur perfekten Zutat in einer Vielzahl von Gerichten. So punkten sie nicht nur mit einem geringen ökologischen Fussabdruck, aber auch mit einer bemerkenswerten Vielseitigkeit, die sie zu wahren Alleskönnern in der modernen Küche macht.

Die sechste Ausstellung der Reihe «Biodiversität Freiburg» im Naturhistorischen Museum in Freiburg lädt noch bis Ende Februar 2025 ein, in die faszinierende Welt der Pilze einzutauchen. Ob Pflanzen, Tiere oder eben Pilze – die Ausstellung veranschaulicht die unglaubliche Artenvielfalt der oft übersehenen Lebewesen und zeigt, was es alles noch zu entdecken gibt.

Text und Foto Emanuelle Cohen