Das geplante „Schweizerische Zentrum für Islam und Gesellschaft“ an der Universität Freiburg steht unter politischem Beschuss. Das einstige Vorzeigeprojekt stiess im Freiburger Grossen Rat auf wenig Gegenliebe. Die kantonale SVP plant gar eine Volksinitiative.
Text: Elia Kaufmann, Illustration: Sebastian Espinosa
Es schien alles nach Plan zu verlaufen. Im März dieses Jahres wurde das „Schweizerische Zentrum für Islam und Gesellschaft“ offiziell aus der Taufe gehoben. Die Medien, welche dem Projekt rege Beachtung schenkten, berichteten durchwegs positiv, und der neue Freiburger Staatsrat Jean-Pierre Siggen lobte die Theologische Fakultät als „herauragenden Ort des interreligiösen Dialoges“. Doch schon damals rumorte es gewaltig.
Zeichen stehen auf Sturm
Seit der Grossratssitzung Anfang Oktober wird der Widerstand immer lauter. Bürgerliche Politiker reichten einen Vorstoss ein, welcher und verlangten damit vom Regierungsrat, er solle bei der Universitätsleitung intervenieren und versuchen, das Zentrum zu verhindern. Obwohl der Grossteil der Parlamentarier für den Vorstoss stimmte, konnte die erforderliche qualifizierte Mehrheit von 56 Stimmen nicht erreicht werden. Der Vorstoss scheiterte zwar knapp, das Verdikt ist aber klar: Die kantonale Politik will an der Universität Freiburg kein Zentrum für Islam und Gesellschaft.
Emotionale Diskussion
Der Abstimmung im Grossen Rat gingen hitzige, zuweilen emotionale Debatten vor. Einige Politiker sahen die katholische Prägung der Universität Freiburg in Gefahr, andere warnten ganz allgemein vor dem Verlust der christlichen Kultur. Für manche Grossräte ist das Zentrum schlicht fehl am Platz. Der Freisinnige Rudolf Vonlanthen findet klare Worte: „In unsere europäisch-abendländische Kultur passt die Imam-Ausbildung nicht hinein. Schon gar nicht in die Schweiz, geschweige denn in unser christliches Freiburgerland.“
Interreligiöser Dialog
Eine Imam-Ausbildung an der Univeristät Freiburg? Rektor Guido Vergauwen stellt die Dinge richtig: „Es geht nicht um die Gründung einer Koranschule, an der Imame ausgebildet werden.“ Seiner Meinung nach sei die Zielsetzung des Zentrums zwar immer klar kommuniziert, aber verkürzt wiedergegeben worden, was zu Missverständnissen geführt habe. Um diesen Missverständnissen vorzubeugen, hat das Rektorat nun an sämtliche Grossräte ein Positionspapier versandt.
Im Kreuzfeuer der Kritik
Die offene Informationspolitik des Rektors war dringend nötig. Zwar hat das geplante Zentrum die Bewährungsprobe im Parlament mit einigen Blessuren überstanden, doch es steht weiterhin im Kreuzfeuer der Kritik. Einer, der das Zentrum für Islam und Gesellschaft lieber heute als morgen aus der Welt schaffen will, ist Emanuel Waeber. Der umtriebige Fraktionspräsident der Kantonalfreiburger SVP hat bereits einen Pfeil im Köcher: Mit einer Volksinitiative will er das Zentrum zu Fall bringen.
Finanzielle Aspekte
Waeber, der studierte Volkswirt, meidet im Gegensatz zu seinen Parteikollegen emotionale Argumente. Er bringt hauptsächlich finanzielle Aspekte ins Spiel. „Es kann nicht sein, dass wir Lehrstellen auf Stufe Primar- und Sekundarschule streichen und gleichzeitig Gelder für eine islamische Ausbildung aussprechen“, moniert er und fordert, dass die Imam-Ausbildung in die bereits bestehende Struktur der Universität eingebettet wird. Konkret schwebt ihm die Anbindung an das „Institut für das Studium der Religionen und den interreligiösen Dialog“ an der Theologischen Fakultät oder an das „Institut für Religionsrecht“ an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät vor.
Mitfinanzierung des Bundes
Eine unzumutbare finanzielle Belastung für die Universität Freiburg? Das Rektorat relativiert: Eine erste Vorfinanzierung bis ins Jahr 2017 sei durch das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) gesichert, anschliessend trage der Bund die Hälfte der Kosten. „Der Eigenbetrag wird für die Universität Freiburg vorrausichtlich 170‘000 Franken pro Jahr nicht übersteigen“, hält das Rektorat in seinem Schreiben an die Freiburger Grossräte fest.
Weiter auf Kurs
Offenbar lässt sich die Universität Freiburg von den politischen Querelen nicht beirren, sie treibt das Projekt weiter voran. Erst kürzlich hat die Universität den Leiter ernannt. Hans-Jörg Schmid heisst der Auserkorene. Ein katholischer Sozialethiker, „der in Fragen des Dialogs Islam – Christentum langjährige Erfahrung hat“, wie Rektor Vergauwen betont.
Aber auch Grossrat Waeber ruht nicht – er kämpft weiter gegen das geplante Zentrum. Spätestens im Januar will er eine Volksinitiative einreichen. Just in jenem Monat, in dem Schmid seine Arbeit an der Universität Freiburg aufnehmen wird. Sollte letztlich das Freiburger Stimmvolk das Zentrum an der Urne bachab schicken, dürfte es für ihn ein kurzes Gastspiel gewesen sein.