Frankreich ohne Bürokratie ist wie Tim ohne Struppi, wie Chili sin Carne, oder auch wie ein Fisch ohne Fahrrad. Um Herr über die Kleinigkeitskrämerei zu werden, braucht es neben vielen Passfotos, Bescheinigungen und Ausweisen vor allem Nerven. Anhand zweier Beispiele möchte ich diesen Sachverhalt verdeutlichen:

  • Ursprünglich in einem luxuriösen, aber etwas sehr teuren Studio wohnhaft, finde ich nach ein paar Wochen einen Nachmieter und kann umziehen. Eine simple Service-Übertragung der Wasserversorgung auf den neuen Mieter ist aus mir unerklärlichen Gründen nicht möglich. Stattdessen soll ich ins Kundenbüro in Saint-Denis und dort kündigen. Mein Nachmieter kann dann per Telefon einen neuen Vertrag auf dieselbe Adresse abschliessen. Nun, ich sitze am kürzeren Hebel. Es bleibt mir also nichts anderes übrig, als mich tatsächlich in die Amtsstube der Firma Veolia zu begeben. Dort angekommen, muss ich erstmal einen Zettel mit einer Zahl drauf ziehen und mich hinsetzen. Ich bin Nummer 155. Die Warterei zieht sich hin. Irgendwann kreuzen sich zwei Angestellte in der Mitte des Raums: ein junger Mann und eine etwas ältere Frau. Der Mann erscheint mir motivationslos und genervt, vermutlich wegen einem bestimmten Kunden. Sie diskutieren kurz, dann flüstert ihm die Frau nicht ganz überhörbar ins Ohr: « Viel Glück. » Sie klopft ihm noch auf die Schulter und läuft dann mit einem schadenfreudigen Grinsen davon. Tolles Kundenmanagement. Nach einer geschlagenen Stunde klappt denn auch die Kündigung. Das Ganze am Telefon zu erledigen wäre zu einfach gewesen.
  • Der Antrag für französisches Wohngeld ist ein Spiessrutenlauf. Ungefähr zehn Dokumente werden dafür verlangt, eines davon ist die persönliche Geburtsurkunde. Zusammenhang? Fehlanzeige. Ist die genaue Uhrzeit, wann jemand das Licht der Welt erblickt hat, ausschlaggebend für die Höhe des Betrags? Ich wurde um 05:03 Uhr morgens geboren. Zugegebenermassen nicht das beste Timing. Aber viel dafür kann ich ja nicht. Laune der Natur. Bekomme ich nun weniger als andere? Der Wisch muss ausserdem mindestens noch auf Französisch übersetzt sein. Einen Diktionär zu benutzen, ist den Franzosen wohl zu riskant. Oder ganz einfach zu aufwendig.

Aber es gibt Hoffnung. In vielen anderen Ländern ist Bürokratie schon lange heilbar. Wann wird La Grande Nation nachziehen?

blog-1-3 Weitere, auch positive Erlebnisse, gibts auf meinem persönlichen Blog: https://fabiansblogbuch.wordpress.com