In letzter Zeit häufen sich die Presseartikel zum Thema Ghostwriting. Dabei geht es darum, dass Studierende ihre universitären Arbeiten gegen Bezahlung von einer aussenstehenden Person schreiben lassen. Dieses Phänomen bringt zahlreiche schwerwiegende Probleme mit sich. Es führt zu Chancenungleichheit unter den Studierenden, wertet die akademische Ausbildung ab und wirft vor allem Fragen darüber auf, was ein Diplom noch über die geleistete Arbeit aussagt.
Von David Carron, übersetzt von Mirjam Schmitz
Der Durchschnittsstudent betrügt nicht. Mit kritischem und konstruktivem Geist setzt er sich für das Wohl der Gesellschaft ein. Aber wie immer und überall zieht es eine Handvoll Individuen vor, gegen die Regeln zu spielen. Sie bezahlen einen Ghostwriter dafür, dass er für sie die Arbeit macht. Es ist offensichtlich, dass dieses Vorgehen ein direkter Angriff gegen die akademische Ethik ist. Ghostwriting muss bestraft werden. Aber belassen wir es nicht bei diesen Selbstverständlichkeiten, sondern überlegen wir uns einmal die Gründe, die zu diesem Phänomen geführt haben. Denn sind nicht letztlich die Studierenden selber die Opfer des Ghostwritings?
Chancenungleichheit und Angriff auf den Service Public
Ghostwriting betont einmal mehr die finanzielle Ungleichheit unter den Studierenden. Nur wer genug Geld hat, kann sich eine Arbeit kaufen. Darum ist es wichtig zu sehen, dass Ghostwriting kein allgemeines Problem an der Uni darstellt, sondern nur wenige betrifft. Aber das Schummelspiel ist nicht nur ein Angriff gegen die universitären und bürgerlichen Werte, sondern auch gegen die Institutionen. Ein erbarmungsloser Kampf gegen diese Ausartung muss in erster Linie auf die Anbieter dieser Dienstleistung abzielen. Die Hochschulen sind öffentliche Einrichtungen; es ist also Aufgabe des Bundes, Massnahmen gegen jene Organisationen zu ergreifen, die ihr gutes Funktionieren beeinträchtigen, ihren Bildungsauftrag gefährden und die Bundesverfassung, die für eine „grösstmögliche Chancengleichheit“ (Art. 2, al. 3) bürgt, mit den Füssen treten.
Herabwürdigung der Universitäten durch erkaufte Kreditpunkte?
Dazu kommt, dass diese zahlenden Betrüger – erwischt oder falsch instruiert – dazu beitragen, dass die universitäre Bildung wertlos wird. Beeinträchtigt wird also die Gesamtheit aller Studierenden und allgemein der Gesellschaft, die die Kosten dafür tragen muss, dass das Bildungssystem an Wert und Renommee einbüsst. Es stellt sich die Frage, ob die Bologna-Reform nicht zur Zuspitzung des Problems beigetragen hat. In welchem Mass verlockt das aktuelle System gewisse Studierende dazu, eine Arbeit nicht als ein Lernziel, sondern als Hindernis auf dem Weg zum Abschluss anzusehen? Es sind Kreditpunkte, die man sich mit Geld zu kaufen bereit ist! Nun ist aber eine Bachelorarbeit viel mehr als ein paar ECTS: Sie ist gewinnbringend und lehrreich. Das Studium kann nicht auf eine Nützlichkeitsberechnung reduziert werden.
Ghostwriting – Symptom der Vermarktung des Studiums?
Man kann sich also fragen, wie Studierende dazu kommen, für ihre Arbeiten lieber zu bezahlen anstatt sie selber zu schreiben. Wäre das nicht ein Anzeichen der Entwertung der akademischen Arbeit als solcher zu Gunsten eines Diploms, das für die Karriere wichtiger ist als das Studium an sich? Aber wie können wir jemandem böse sein, der sich einen Abschluss kauft, wenn das Studium von der Öffentlichkeit als eine Investition in das menschliche Kapital angesehen wird? Die Frage nach der Vermarktung der tertiären Bildung ist vielleicht der tatsächliche Ursprung des Problems. Die Existenz von Unternehmen, die sich diesen Mark zunutze machen wollen, ist nur das Anzeichen, bei dem die Alarmglocke läutet.
Ghostwriting stellt ein Problem dar, das an der Wurzel bekämpft werden muss. Aber es ist vor allem ein erstes Zeichen einer Universitätspolitik, die die Vermarktung des Studiums der Bildung an sich vorzieht. Diese Überlegungen sind notwendig, damit Chancengleichheit, Respektierung der akademischen Werte und die Qualität der Bildung garantiert werden können.
Für UniPoKo, die Kommission für Unipolitik der AGEF