Knapp fünf Prozent der Schweizer Bevölkerung sind Muslime. Die meisten sind hier geboren und verwurzelt. Ihre Imame und Prediger allerdings sind zumeist fernab unserer Gesellschaft ausgebildet. Um diese Diskrepanz zu beseitigen, schlug eine Nationalfonds-Studie 2010 eine schweizerische Imam-Ausbildung vor, was zu einer kaum je da gewesenen Auseinandersetzung führte. Mittendrin: Die Uni Freiburg.
Dass Studierende der katholischen Theologie in der Miséricorde seit jeher ein und aus gehen, sorgt in Freiburg kaum mehr für Entrüstung. Im Gegenteil – die hiesige theologische Fakultät ist die grösste der Schweiz und prägte die Universität entscheidend mit. Als aber 2013 bekannt wurde, dass ein Zentrum für Islam und Gesellschaft als interfakultäres Institut nach Freiburg kommen soll, meldeten viele Politiker Bedenken an. Bürgerliche Grossräte versuchten in der Folge, das geplante Zentrum auf parlamentarischem Weg zu verhindern. Als dies scheiterte und das Zentrum im Frühjahr 2015 eröffnet wurde, reichte die SVP des Kantons Freiburg eine Initiative ein, die das geplante Zentrum sowie jegliche staatliche Imam-Ausbildung verhindern sollte. Als Regierung und Parlament die Initiative, welche über achttausend Mal unterschrieben worden war, für ungültig erklärten, rekurrierte das SVP-Komitee ans Bundesgericht.
Negativer Bundesgerichtsentscheid
Im letzten Dezember schliesslich wiesen die Richter in Lausanne die Beschwerde gegen die Ungültigkeitserklärung ab. Mit einer einzigen Ausnahme votierte der fünfköpfige Spruchkörper geschlossen dagegen, die Ungültigkeitserklärung der Freiburger Instanzen aufzuheben. Die Bundesrichter wiesen insbesondere daraufhin, dass sich die Initiative gezielt gegen das Zentrum für Islam und Gesellschaft richte. Ein derartig einseitiges Verbot sei diskriminierend und verstosse damit gegen die Verfassung, schloss das Gericht schliesslich.
Dies dürfte das vorläufige Ende des Seilziehens um das Schweizerische Zentrum für Islam und Gesellschaft (SZIG) bedeuten. „Es sind keine weiteren rechtlichen oder politischen Schritte geplant.“, erklärt die SVP auf Anfrage und schliesst auch den Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte aus. Das Urteil sei keine Überraschung gewesen, fährt Emanuel Waeber, Fraktionspräsident der Volkspartei im Grossen Rat, fort: „Gegenüber den unterzeichnenden Personen der Initiative haben wir es aber als unsere Pflicht erachtet, vor Bundesgericht zu gehen.“
Positive Folgen für das SZIG
Dr. Hansjörg Schmid, Direktor des SZIG, kann den erlebten Querelen durchaus Positives abgewinnen. „Durch die Auseinandersetzung waren wir von Anfang an verpflichtet, so transparent wie möglich zu arbeiten und das Gespräch mit sehr vielen Menschen und Institutionen zu suchen. Wir haben so einen Arbeits- und Kommunikationsstil entwickelt, den wir beibehalten haben.“ Laut Schmid hat die Auseinandersetzung dem SZIG auch zu einer breiten öffentlichen Sichtbarkeit verholfen. Er betont zudem, dass das Zentrum jederzeit von sehr vielen Seiten unterstützt worden sei.
Das Zentrum baut sein Angebot seit Betriebsaufnahme kontinuierlich aus. Neben grossen Tagungen zu Themen wie der Spitalseelsorge werden in Freiburg auch Weiterbildungen, Seminare sowie ein Doktoratsprogramm angeboten. Zudem belegen gemäss Schmid etliche Anfragen von Lehrpersonen, Sozialarbeitern sowie der Verwaltung die Notwendigkeit des Instituts. Ab Herbst 2017 startet zusätzlich das Masternebenprogramm „Islam und Gesellschaft“. Eine eigenständige, grundlegende Imam-Ausbildung ist aber nicht geplant.
Vorläufig ruhen die Diskussionen
Die SVP verspricht trotzdem, weiterhin ein Auge auf die Entwicklung des SZIG zu haben und bei Bedarf an die zuständigen Aufsichtsbehörden zu gelangen. Der Bundesgerichtsentscheid dürfte damit den gesellschaftlichen Disput rund um die Position des Islams an der Universität Freiburg sowie in der schweizerischen Gesellschaft höchstens vorläufig aussetzen lassen. Ein Disput, vor welchem sich die Universität nicht scheut. Hansjörg Schmid erklärt, gerne auch Kritiker zu begrüssen: „Unsere Türen sind offen für alle.“
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