Project R ist seit wenigen Tagen Weltrekordhalter im Medien-Crowdfunding. Die Geschäftsführerin und die Präsidentin der Schweizer Journalismus-Rebellion kamen am Montag, 8. Mai für eine Podiumsdiskussion an die Uni Freiburg. Spectrum war da und diskutierte mit.

Foto: zvg Project R

Project R entsteht vor gut zwei Jahren in einem Wohnzimmer in Zürich. Ein paar Sitzungen, einige schlaflose Nächte und tonnenweise Post-its später hat sich hinter der anfänglichen Wohnzimmer-Idee ein zehnköpfiges Team formiert: Journalistinnen und Journalisten, IT-Fachleute und Kommunikations- und Organisationsexperten. Ihr gemeinsames Ziel ist es, den Journalismus zu retten, die Demokratie zu stärken. Ihr erstes Instrument: Die Republik, ein Online-Magazin, werbefrei, unabhängig und mit qualitativ hochwertigem Journalismus. Das momentan noch laufende Crowdfunding für ein Startkapital von 750’000 Franken wurde nach knapp zwei Wochen bereits mehr als verdreifacht. Dieser fulminante Start zeigt: Project R trifft den Nerv Vieler. Das Projekt stösst auf enormes Interesse. Dennoch steckt es zum jetzigen Zeitpunkt noch in den Kinderschuhen.

Erste wichtige Hürden

In diesem Zusammenhang lud die Fachschaft der Studierenden in Kommunikationswissenschaft und Medienforschung und Business Communication (MECOM) zwei Mitbegründerinnen der Republik nach Freiburg ein. Susanne Sugimoto ist Geschäftsführerin von Project R und Republik, Nadja Schnetzler die Präsidentin der Genossenschaft Project R.

Vorneweg: Aus der kurzen Präsentation, in der die beiden das Projekt, die Organisation und die Leitideen nochmals vorstellen, wird klar: Das Projekt der Republik ist grossartig. Ein hochmotiviertes und gut qualifiziertes Team hat – zu Beginn gänzlich unbezahlt und ohne jede Erfolgsgarantie – enorm viel Arbeit, Herzblut und Fachwissen in dieses Projekt gesteckt. Die Ausarbeitung der Idee, Strategien zur möglichen organisationalen Umsetzung, Softwareentwicklung, Lancierung des Crowdfundings – all dies ist sehr ausgereift oder hat gar schon erste Bewährungsproben mit Bravur überstanden.

Und jetzt?

Eigentlich geht es ja mit der Republik jetzt erst richtig los, denn erst seit wenigen Wochen gibt es sie wirklich. Bis am ersten Januar 2018 der erste Artikel publiziert wird, gilt es eine ganze Reihe grosser Herausforderungen zu meistern. Um diese drehte sich dann auch ein Grossteil der Podiumsdiskussion.

So muss die Redaktion zusätzlich zu den beiden an der Gründung beteiligten Journalisten mit neun weiteren ergänzt werden. Wer nämlich in Zukunft für die Recherchen, die Hintergrundartikel und den Qualitätsjournalismus verantwortlich ist, weiss momentan noch niemand. Vorgesehen ist ein heterogenes Team verschiedener Nationalitäten mit einem Gleichgewicht an Frauen und Männern. „Natürlich haben wir diverse Journalistinnen und Journalisten in unserem Umfeld, die sehr gerne Teil der Republik würden. Die Redaktion ist aber auf elf Stellen begrenzt und wir wollen eine gezielte Auswahl treffen.“, sagt Susanne Sugimoto dazu. Bis im Oktober sollte die Redaktion dann komplett sein.

Inhalte und Abläufe – jetzt geht’s ans Eingemachte

Genauso wie über die Redaktion ist auch über die genaue inhaltliche Umsetzung noch wenig bekannt. Unabhängig und von guter Qualität soll sie sein, so der Grundsatz. Nebst diesem gibt es einzig ein paar Eckpfeiler, die eine mögliche inhaltliche Umsetzung der ambitionierten Grundidee ansatzweise erahnen lassen: Pro Tag sollen ein bis drei Artikel veröffentlicht werden. Republik will sich nicht um das tägliche News-Geschäft, sondern um Hintergründe und um Recherchen kümmern. In diesem Zusammenhang sollen pro Jahr vier grosse Recherchen mit einem Budget von ca. 60’000 Franken durchgeführt werden und mit Datenjournalisten zusammengearbeitet werden. Es wird in den kommenden Monaten die wohl wichtigste Aufgabe sein, aus diesen einzelnen Punkten ein konkretes Konzept zur inhaltlichen Umsetzung, redaktionelle Richtlinien und Arbeitsabläufe zu entwickeln. Dass die genauere inhaltliche Umsetzung noch nicht weiter ist in der Entwicklung, zeigt sich auch im ein oder anderen Punkt der Podiumsdiskussion: Wie und nach welchen Kriterien eine Themenselektion gemacht wird oder wie man mit inhaltlichen Anpassungen einen Rückstand im Businessplan genau korrigieren will, können Sugimoto und Schnetzler zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantworten. Schnetzler fasst die grundsätzlichen inhaltlichen Absichten folgendermassen zusammen: „Wir wollen nicht unbedingt den ersten, sondern viel lieber den letzten Artikel zu einem Thema schreiben.“

Gefahren

Wie jedes Start-Up geht auch Project R das Risiko des Scheiterns ein. Man ist gezwungen, sich mit Worst-Case-Szenarien auseinanderzusetzen. Die Podiumsdiskussion am achten Mai in Freiburg zeigte: Sie tun dies auch. Der Start des Crowdfundings, der alle Erwartungen übertroffen hat, löst bei Sugimoto und Schnetzler zwar Euphorie, nicht aber Überheblichkeit oder Übermut aus: Trotz dieses Anfangs weichen die Verantwortlichen nicht vom ursprünglichen Businessplan ab. Dieser sieht vor, dass bis zum Jahr 2022 die Republik 22’000 Abonnentinnen und Abonnenten hat und somit selbsttragend wäre. Schwankungen in der Anzahl verkaufter Abos sind dabei normal. Sugimoto rechnet beispielsweise mit einem Rückgang der Abonnemente um vierzig Prozent nach dem ersten Jahr. Das Kreieren einer dauerhaften, beständigen Community als Leserschaft entscheidet letztendlich über Erfolg oder Misserfolg der Republik.

Die vielleicht grösste Gefahr bildet die Erwartungen der Leserschaft. Man wird immer an vorgängig gebildeten Ansprüchen gemessen und daran sind schon so manche gescheitert. Die Erwartungen hier werden nicht nur vom Erfolg des Crowdfundings, sondern auch von der Republik selbst massiv in die Höhe geschraubt. Man verspricht beispielsweise grosse Recherchen, Unabhängigkeit, Hintergrund, Qualität und hat dabei aber verhältnismässig wenig personelle Ressourcen. Dessen ist sich auch Nadja Schnetzler bewusst: „Wir wissen, dass wir jeden einzelnen Tag einen hervorragenden Job machen müssen, um unser grosses Versprechen einhalten zu können.“ Sugimoto fügt an: „Um die inhaltliche Qualität zu sichern werden wir auch sicher externe Blattkritiken machen, etwa mit dem Reporterforum zusammenarbeiten und uns in unserem Schaffen mit der Wissenschaft spiegeln.“

Weshalb eigentlich das Ganze?

Project R will eine Antwort auf eine journalistische Entwicklung der letzten Jahrzehnte liefern. Mit der Digitalisierung bricht das traditionelle Geschäftsmodell vieler Medien, insbesondere jenes der Printmedien, auseinander. Weil Medieninhalte im Netz vermehrt für alle gratis zugänglich sind, sind wir immer weniger bereit, für Journalismus zu bezahlen. Ausserdem ist die zweite Einnahmequelle von Medien, die Werbewirtschaft, zum Erreichen ihres Zielpublikums längst nicht mehr auf Journalismus angewiesen. Dies führt aus rein ökonomischen Gründen zu Fusionen und zu Medienkonzentration. In der Schweiz werden aktuell rund achtzig Prozent der Pressetitel (Tageszeitungen, Zeitschriften und Magazine) von einem der drei grossen Verlage Tamedia, Ringier oder NZZ Mediengruppe publiziert. Um sich dennoch refinanzieren zu können, mussten in den vergangenen Jahren Alternativen her – gesponserte Artikel, das Aufkaufen von Kleinanzeigenportalen durch Medienhäuser oder auch die Übernahme durch Investoren mit politischer Ausrichtung. Die publizistische Folge von Konzentration und alternativen Einnahmequellen ist eine geringere Medien- und Meinungsvielfalt, ein Mediensystem, in dem das wirtschaftliche Überleben dem unabhängigen Journalismus immer wieder vorgezogen wurde.

Nachhaltiger Kurswechsel

Project R will zeigen, dass Journalismus anders, frei von wirtschaftlichen oder politischen Partikularinteressen funktionieren kann. Journalismus soll wieder zu einer wirklichen vierten Gewalt werden, welche die Demokratie überwacht, unabhängig und frei von jeglichen Interessen darüber berichtet. Ein ambitioniertes Vorhaben, dem man als Konsumentin oder Konsument von echtem Qualitätsjournalismus, als Journalistin oder als Journalist und als Bürgerin oder Bürger in einem demokratischen Land eigentlich nur bestes Gelingen wünschen kann.

Für mehr Informationen oder um das Crowdfunding (läuft noch bis Ende Mai) zu unterstützen: https://www.republik.ch