Ein Professor der Volkswirtschaftslehre, ein ETH-Professor, ein Fotojournalist, ein Mitarbeiter beim Bundesamt für Umwelt und ein Klimatologe versammeln sich im Auditorium B der Miséricorde . Das Ergebnis? Eine Podiumsdiskussion über den Klimawandel. Der Anlass? Das sechzigjährige Jubiläum von Spectrum. Wir schauen zurück.
Zum Thema „Werden wir überleben?“ fand am 19. März die Diskussion rund um den Klimawandel statt, moderiert von Cerise Drompt, Co-Chefredakteurin und Selina Grossrieder, Verantwortliche Web für die deutsche Redaktion von Spectrum. Innerhalb von zwei Stunden wurde eine Vielzahl an Themen angesprochen: von China und ihrem Technologienmonopol, den Auswirkungen Klimawandels, über Lösungen für vom Klimawandel verursachte Probleme bis zum Einfluss der Klimademonstrationen und -streiks. Samuel Turpin, Fotojournalist und Mitgründer des multimedialen Projekts Humans & Climate Change Stories, erzählte von Familien in Mali, Grönland und der Schweiz, die im Rahmen des Projekts von 2017 bis 2026 begleitet werden. Als er schilderte, dass er in Grönland Erdbeeren probieren durfte, ging ein leises Kichern durch den Saal. Eigentlich grotesk, grönländische Erdbeeren.
Ist schneller agieren möglich?
Angesprochen wurde auch, ob autokratische Länder wie China nicht im Vorteil seien, da sie potenziell schneller Restriktionen und Gesetze durchsetzen könnten, um der Umwelt zu helfen. Überraschend meinte ETH-Professor und Forscher Anthony Platt daraufhin, dass wir gar nicht schneller vorgehen könnten. Unsere CO2-Emissionen seien in den letzten Jahren konstant geblieben und die Frage, ob es überhaupt nötig sei, schneller zu handeln, sei berechtigt. Die Schweiz habe vor, bis 2020 ihre CO2-Emissionen im Vergleich zu ihren Emissionen im Jahr 1990 um zwanzig Prozent zu senken, fügt Alexandre Berset hinzu. Zudem sei das Ziel – seit der Annahme des Energiegesetzes von 2017 –, nicht mehr auf atomare Energie zurückzugreifen und künftig mittels erneuerbarer Energie Schweizer Haushalte zu versorgen. Trotzdem lässt die Schweiz 75 Prozent ihrer Energie importieren, sagt Anthony Platt. Dies führe zu einer Kodependenz zwischen den Energieverbrauchenden und den Produzierenden.
Die Revolution steht an
Ob die Demonstrationen und Streiks der Schülerinnen und Schüler etwas bewirken, wollte man von den Experten wissen. Diese waren sich einig: Um etwas „oben“ zu bewirken, brauche es Bewegung von „unten“. Seit den Demonstrationen werden erstmals Steuern auf Flugzeuge und Kerosin im Parlament diskutiert, sagt Alexandre Berset. Anthony Platt fügte an, seiner Meinung nach gehe es hier um eine Revolution. Die Vorbereitungsphase habe man abgeschlossen und nun werde es bald ans Eingemachte gehen. Doch diese Revolution wird auch negative Konsequenzen haben, mit denen wir uns zukünftig befassen werden müssen.
Etwas enttäuscht zeigten sich mehrere Zuhörende: Jonas, der in Fribourg studiert, hätte gerne das Thema erneuerbare Energien genauer besprochen. „Ich denke, wir werden uns radikal verändern müssen. In Zukunft wird nichts mehr unserem jetzigen Lebensstil ähneln“, erklärt er. Der ältere Zuhörer Jacques zeigte sich auch eher kritisch: „Meiner Meinung nach sollte man nicht in ein universitäres Umfeld kommen, um wirklich seriöse Fragen zu stellen. Ich bin enttäuscht, dass das Dogma des Wachstums immer noch präsent ist. Dass man dieses nicht in Frage stellt.“ Loïc, der aus Lausanne angereist ist, war überrascht, dass nicht mehr Zuhörende anwesend waren. „Ich frage mich, ob die Leute wirklich sensibilisiert sind gegenüber dem Thema des Klimawandels oder ob es mehr ein Hype ist.“ Insgesamt habe er die Diskussion aber äusserst spannend gefunden, besonders die Eindrücke von Samuel Turpin seien interessant gewesen.
Fürs Erste überlebt
Im Anschluss an die Konferenz versammelten sich die Anwesenden in der Tour Vagabonde, um mit einem Bier oder einem Glas Wein auf die sechzig Jahre Spectrum anzustossen. Zudem bot sich für die Zuhörenden die Gelegenheit, mit den Experten in einem etwas intimerem Rahmen zu sprechen. Den Ausklang fand der Abend mit einem Konzert der BandStreet Corner Talking, die bis zum Schluss für gute Stimmung sorgte. Auch ein Geburtstagskuchen für unser Magazin durfte natürlich nicht fehlen. An dieser Stelle möchten wir von Spectrum uns bei allen Mitwirkenden für einen gelungenen Abend bedanken und hoffen, die Diskussion um den Klimawandel hört nicht hier auf.