In der diesjährigen Sommerserie von Spectrum nehmen euch verschiedene Redakteurinnen und Redakteure mit und erzählen, was ihren Sommer ausmacht.

Lieber Sommer

Ich sitze im Garten, am Strand, im Meer, im See. Ich geniesse deine Wärme und dein Licht, denn alles um uns herum lebt und blüht. Die Früchte werden reif, die Blumen und Wiesen sehnen sich nach einem kühlenden Sommergewitter. Der Sommer ist die Zeit des Lebens. Und doch können wir Menschen nichts anderes tun, als uns über dich zu beschweren. Du bist entweder zu heiss oder zu kalt, zu nass oder zu trocken. Wenn die Sonne scheint, wollen wir, dass es regnet, und wenn es regnet, sagen wir: „Das ist doch kein richtiger Sommer, wir wollen Sonnenschein!“. Du kannst es uns nie recht machen, doch wer kann das schon? Du bist wenigsten bedingungslos konsequent, es ist dir ist egal, was wir denken. Auch wenn ich weiss, dass du nicht hinhören willst.

Eine Anmerkung habe ich aber dann doch: In letzter Zeit sind deine Tage heisser als früher, wir Menschen sind selber schuld. Doch könntest du nicht einmal ein normaler Sommer sein? Ein Sommer wie damals, als wir Kinder waren. Am Tag war es gemütlich warm, und am Abend kam ein kühlendes Gewitter. Ich erinnere mich, wie ich im Regen tanzte und mir wünschte, dass diese Zeit nie vorbei gehen sollte. Naja, sie ging vorbei, und heute seufzt die Natur auf, wenn nach langen und trockenen Tagen endlich etwas Wasser fällt. Die Seen und die Flüsse trocknen aus oder wärmen sich auf, die Fische sterben und der Wald könnte wegen eines kleinen Funkens in Flammen aufgehen.

Ach lieber Sommer – die Zeit während meiner Kindheit, in der du uns angenehme Wärme nach einem langen Winter gabst, ist vorbei. Inzwischen übertreibst du es einfach ein bisschen. Ich weiss, wir Menschen können eines am besten: unzufrieden sein. Und jetzt bist du an der Reihe, dass wir uns über dich beschweren. Aber in diesem Fall haben wir gute Gründe… Wir wollen nicht, dass das Wetter heisser und extremer wird! Vergiss nicht, du inspirierst uns auch. So viele Lieder sind über dich verfasst worden. Ein Lied, welches mich immer in eine bessere Zeit zurückführt, ist «Summer Breeze» von Seals & Crofts. Das Lied zeigt, was du für uns bist, lieber Sommer. Eine Sommerbrise reinigt nämlich die Seele und die Natur, der Sommer bringt die Freuden des Seins. Und während der Frühling die Zeit des Erwachens und Neuanfangs, der Herbst die Zeit der Farben und der Winter die Zeit der Ruhe und Stille ist, bist du die Zeit des Lebens und des Lachens. Bitte bleib so wie du bist, werde nicht wärmer und extremer. Das Lied geht ja auch „Summer breeze, makes me feel fine“ und nicht „Summer breeze, makes me feel hot and uncomfortable“. Und eine letzte Bitte: sei nicht beleidigt, wenn wir uns immer über dich aufregen. Denn eigentlich lieben wir dich alle, so wie du bist.

In Liebe, deine Menschheit

Text und Bild: Aline Zengaffinen

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