Die WC-Kabinen an der Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg sind die perfekte Gelegenheit, sich von den  bevorstehenden Prüfungen abzulenken. Die Klo-Kabinen sind von oben bis unten mit Duzenden von Sprüchen und Zeichnungen von Studierenden tätowiert.

Ich sitze unruhig an meinem Pult im Bibliothekssaal der KUB. Ich bewege kaum mehr einen Finger und die Konzentration ist schon lange durch die Tür geflüchtet. Was kann man gegen diese Rastlosigkeit tun? Die WCs der KUB bieten hier die perfekte Ablenkung, denn die Kacheln, Türen und Spiegel der Männer und Frauen WCs sind von oben bis unten mit Sprichwörtern und amüsanten Zeichnungen bemalt. Die spassigen Sprüche und weisen Worte zaubern jeder Person, die sich kurz erleichtern will, ein Lächeln aufs Gesicht.

FRAUENEMANZIPATION gross geschrieben

Ich betrete das Damen WC im Untergeschoss der Universitätsbibliothek und mir fallen Duzende von kleinen bis grossen Gekritzel und Wörtern ins Auge. Die Erleichterung auf der Toilette kann noch kurz warten. Zuerst will ich die Sprüche genauer unter die Lupe nehmen. «Die KUB, unser zweites Zuhause.» Es scheint, als verbringen unsere lieben Studentinnen viel Zeit hier. Nur zu Recht, denn wie es aussieht, gibt es vieles, was die Frauen von heute beschäftigt. Das Bedürfnis ist da, es alles rauszulassen – wortwörtlich. So lese ich emanzipatorische Sprüche an den Kabinenwänden und finde vereinzelt Zeichnungen von nackten Frauen. Eine Frau verewigt diesen Satz auf einer der Kabinentüren: «Tampons sollen gratis sein!» In einem anderen Schriftzug steht darunter: «Kauf dir doch eine Menstruationstasse. » Ein weiter Schriftzug zeigt eine dritte Stimme, die sich ins Gespräch einklinkt: «Menstruationstassen sollen gratis sein!» Anderswo teilen mir verschiedene Schriftzüge mit, dass das Patriarchat gefallen sei. Jedoch kontert eine andere Schrift, dass Frauen vor toxischem Feminismus aufpassen sollten, bei dem die Frau das männliche Geschlecht unterwerfen möchte. Die Frau solle gleichgestellt zum Mann regieren. Ich fühle mich schon emanzipierter.

Foto: Valentina Scheiwiller

Falls du dich alleine fühlst

Wenn das Leben einmal zu viel wird oder das Lernen einen in den Wahnsinn treibt, hilft schon ein Besuch in der KUB. Vielleicht fühlt man sich gerade alleine mit seinen Problemen und sucht Aufmunterung. Da helfen die Weisheiten unser Kommiliton*innen, die man nicht einmal kennt. Inspirierende Sprichwörter lassen meine Alltagssorgen verschwinden. «Vergiss nie: Du bist schon so weit gekommen und keine der Herausforderungen, welchen du momentan gegenüberstehst, macht dich weniger zu dem, was du bist.» An einer Kachel unter dem Fenster werde ich aufgefordert, meine Ängste nicht zu füttern. Schon bald fühle ich mich bestärkt und die Sprüche scheinen auch bei anderen Besucherinnen Wirkung zu zeigen, denn ein Zitat an einer der Kabinentüren deutet dies klar an: «Ich kam, um auf der Toilette zu weinen und ich gehe selbstbewusster als zuvor raus.» Wer ein wenig Aufmunterung sucht und von seiner langweiligen Vorlesungslektüre aufschauen will, kann sich einfach eine halbe Stunde in die KUB Toiletten setzen.

Bitte nicht stören

Sinnloses Gekritzel an Wänden findet man überall. Doch je länger ich die Kritzeleien betrachte, desto klarer wird mir, dass die Sprüche und Zeichnungen äusserst kreativ und humorvoll sind. Eine Dame beklagt sich zum Beispiel darüber, dass Frauen Hemmungen haben, ein grosses Geschäft auf öffentlichen Toiletten zu machen. Dabei sei es doch ganz normal. «Man ist ja schliesslich auf der Toilette!» Eine andere Stimme fördert unser Allgemeinwissen: «Die grösste japanische Population ausserhalb von Japan lebt in Brasilien.» Spannend. Andere wollen einfach nicht gestört werden: «Don‘t bother me.» Ich stehe mittlerweile schon circa fünfzehn Minuten in den Toilettenkabinen und lese diese Sprüche durch. Lasst euch nicht mehr stören, ich sollte weiterlernen…

Text: Maxine Erni
Foto: Valentina Scheiwiller