Ob in Lebensmitteln, Technikgeräten, Kleidung oder in der Medizin – Plastik ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Doch dessen Entsorgung stellt für die Welt noch eine grosse Hürde dar.
Seit den 1980er Jahren beschäftigen sich immer mehr Forschende und Verbraucher* innen mit der Frage, wie wir Plastik richtig entsorgen können. Dabei sind Kunststoffprodukte so gut wie unzerstörbar und ihre Produktion gleichzeitig so billig, dass wir sie viel zu oft bedenkenlos wegwerfen. Wissenschaftler*innen vermuten, dass es 450 Jahre dauert, bis sich eine PET-Flasche auf natürliche Weise abgebaut hat. Genau kann das aber niemand wissen, es bleibt eine reine Schätzung. In den letzten Jahrzehnten wurde weltweit nach Entsorgungs- und Recyclingmöglichkeiten gesucht. China kaufte beispielsweise über Jahre hinweg anderen Ländern ihren Plastikmüll ab, um diesen bei sich weiterzuverarbeiten. Dadurch konnte das Land seine Recyclinginfrastruktur immer mehr ausbauen. Als China aber 2018 den Import von ausländischen Plastikabfällen verbietet, um bei sich Umweltverschmutzungen reduzieren zu können, steht der Rest der Welt vor einem Problem: Wie und wo soll jetzt der ganze Kunststoffmüll entsorgt werden?
Von Verbrennungsanlagen und Plastikflaschen- Dörfern
Eine Alternative zu Chinas Recyclinganlagen sahen einige Politiker*innen und Produzent*innen in der Verlegung der Plastikentsorgung in südostasiatische Länder wie Malaysia. Zahlreiche illegale Verbrennungsfabriken wurden eröffnet. Diese wiederum brachten gesundheitliche Folgen für die Anwohner*innen mit sich. Beispielsweise stieg das Risiko, an Krebs zu erkranken, um ein Vierfaches. Auf die Proteste der Bewohner*innen reagierte die malaysische Regierung erst Wochen später: Sie versuchte, möglichst viele der illegalen Fabriken zu schliessen. Während Aktivist* innen zudem ein Verbot für den Import von ausländischen Kunststoffabfällen fordern, will die Regierung die Industrie weiterhin fördern. Allerdings verspricht sie, die Qualität des importierten Plastikmülls zu überprüfen, damit keine minderwertigen Produkte in Malaysia weiterverarbeitet werden. Unternehmer Robert Bezeau oder auch die Organisation Project Wings zeigen, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, mit dem Plastikmüll umzugehen. Bezeau startete 2015 das Projekt «Plastic Bottle Village» in Panama. Wie der Name bereits preisgibt, bestehen alle Häuser im Dorf aus Plastikflaschen. Auch Project Wings will aus über 250 Tonnen gesammelten Plastikmülls das weltweit grösste Recycling-Dorf im indonesischen Regenwald aufbauen. Einheimische sammeln und säubern den Plastikmüll, um ihn anschliessend in grosse Plastikflaschen zu stopfen, in sogenannte Ecobricks. Diese werden für den Bau der Häuser verwendet und können von den Einheimischen gegen Geld eingetauscht werden.
Recycling statt Entsorgung
Auch auf nationaler Ebene wird unser Umgang mit Kunststoffabfällen diskutiert. Rund achzig Prozent des Plastikmülls werden in der Schweiz in Kehrichtverbrennungsanalgen verbrannt und somit zerstört. Pro Kilogramm Kunststoff entstehen so zwischen zweieinhalb und drei Kilogramm CO2, obwohl das Material grundsätzlich recyclebar wäre. Neben dem CO2-Ausstoss belastet auch die Produktion von neuem Kunststoff aus Erdöl und -gas die Umwelt. Dass Plastik aber ein Wertstoff und kein reiner Abfall ist, erkannte das Unternehmen InnoRecycling AG. Dieses sammelt mit dem Projekt sammelsack.ch Plastikabfälle von Privathaushalten und verarbeitet diese weiter. «Wir sind das einzige Kunststoffrecyclingwerk in der Schweiz, das seit zwanzig Jahren aus Kunststoff und Restposten Regranulat herstellt. Neu verarbeiten wir seit fünf Jahren auch gebrauchte und verschmutzte PE- und PP-Haushaltskunststoffverpackungen weiter», gibt der Projektberater Hanspeter Hösli an. Bei der Sammlung arbeitet das Unternehmen entweder direkt mit einer Stadt oder Gemeinde zusammen, manchmal aber auch mit privaten Recyclingbetrieben.
Privathaushalte können alle Lebensmittelverpackungen aus Kunststoff, Folien, Plastikflaschen jeglicher Art und Tiefziehschalen in den Säcken entsorgen und diese zur nächstgelegenen Sammelstelle bringen. Die verschiedenen Logistikpartner bringen diese dann zum Firmenstandort in Eschlikon. Da es in der Schweiz noch keine Kunststoffsortierungsanalgen gibt, lässt InnoRecycling das Plastik in Österreich und Deutschland sortieren. Die sortierten Mengen werden anschliessend in Eschlikon zu Regranulaten verarbeitet, die dann in diversen Produktionsfirmen in der Schweiz, für nationale Infrastrukturprojekte und in den EU-Nachbarländern weiterverwendet werden. Konkret werden daraus unter anderem Bewässerungs-, Elektro- und Kabelschutzrohre sowie Abfallsäcke und Tragtaschen hergestellt. Sammlung, Transport und Sortierung finanzieren sich durch einen Recyclingbeitrag pro Sammelsack – für Gemeinden entstehen also keine zusätzlichen Kosten durch die Plastiksammlung. Das Projekt kommt bei den Gemeinden gut an, berichtet Hösli: «Es werden glücklicherweise immer mehr. In den nächsten Monaten werden es schweizweit über 250 Städte und Gemeinden sein, die bei der Plastiksammlung mitmachen. Zudem werden die Sammelsäcke bei über 450 Verkaufsstellen erhältlich sein.» Eine aktuelle Auflistung der Verkaufs- und Entsorgungsstellen findet sich auf der Website von sammelsack.ch.
Plastik geht alle etwas an
Ob nun Dörfer aus Plastikflaschen gebaut oder Kunststoffabfälle zu Regranulaten verarbeitet werden: Es wird deutlich, dass wir das Thema Plastik nicht einfach ignorieren können. Tatsache ist, dass sich noch kein Stück Plastik, das jemals produziert wurde, auf natürliche Weise abgebaut hat. Wir alle kennen Bilder von plastiküberhäuften Stränden und von Vögeln und Fischen, die an den Kunststoffabfällen der Menschen gestorben sind. Wenn sich unser Umgang mit diesem Material nicht ändert, werden ab 2050 mehr Plastikteile als Fische in unseren Meeren schwimmen. Gleichzeitig sind Kunststoffe aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Verbote von Einwegplastikprodukten wie Tüten und Strohhalmen sind sicherlich Schritte in die richtige Richtung. Zudem achten immer mehr Menschen darauf, ihren Kunststoffkonsum zu reduzieren und setzten sich mit dem Thema Zero Waste auseinander. Doch Einzelpersonen allein können das Problem nicht lösen: Egal ob Verbraucher*innen, Wissenschaft, Regierungen oder Produzent*innen – wir alle müssen zusammenarbeiten, um sinnvolle Lösungen für den Umgang mit Kunststoffabfällen zu finden.