Ein Jahr nach Einführung des Medizinmasters wurde nun ein Präventionsprogramm gegen sexuelle Belästigung und Sexismus für den Fachbereich ins Leben gerufen. Spectrum erklärt euch, worum es sich handelt und konnte mit einer am Aufbau beteiligten Studentin sprechen.

Seit dem Herbstsemester 2019 gibt es in Freiburg einen Master in Medizin. Im Vergleich zu beispielsweise einem geisteswissenschaftlichen Master ist dieser um einiges praktischer orientiert: Ab dem zweiten Semester besteht das Studium grösstenteils aus drei- bis sechswöchigen Praktika, die die Studierenden auf verschiedenen Abteilungen der Freiburger Spitäler absolvieren, sowie einem Hausarztpraktikum in einer Praxis. Ab dem vierten Semester kommen noch längere Wahlpraktika hinzu.

Sonderfall Medizin

Dieser Studienaufbau bringt ganz eigene Problematiken mit sich. In den Spitälern besteht ein steiles Machtgefälle zwischen den verschiedenen Beschäftigten und die Studierenden stehen nicht zuoberst auf der Leiter. Somit besteht die Gefahr, dass eine mächtigere Person die Situation ausnutzt – insbesondere, wenn sich das Machtgefälle noch mit anderen Faktoren wie beispielsweise Gender überschneidet, aufgrund derer Individuen in der Gesellschaft diskriminiert werden. Das spiegelt sich auch in den Zahlen wider: Laut einer Studie, die das New England Journal of Medicine im Jahr 2018 veröffentlichte, wurden Medizinstudentinnen rund doppelt so häufig Opfer von belästigendem Verhalten als ihre männlichen Kollegen. Ausserdem kommt es im Medizinstudium zu deutlich mehr Fällen von Belästigung als an anderen Fakultäten.

Ausbilden, informieren, begleiten

Auf diese Gefahr haben nun die für die Ausbildung zuständigen Institutionen und insbesondere das Institut für Hausarztmedizin als treibende Kraft mit einem Präventionsprogramm gegen sexuelle Belästigung und Sexismus im Medizinstudium reagiert. Seit rund einem Monat ist es offiziell am Laufen.

Das Programm setzt drei verschiedene Schwerpunkte: Einerseits wird den Studierenden beigebracht, wie sie auf sexistische Vorfälle im Spital- und Unialltag reagieren können – sowohl als Betroffene wie auch als Zeug*innen. Weiterhin wird auf Aufklärung gesetzt, Flyer und Plakate mit Verweis auf die Webseite sollen auf die Problematik aufmerksam machen und darüber informieren. Der dritte Schwerpunkt schliesslich ist die Begleitung von Betroffenen.

Logo CLASH Fribourg

Zentraler Bestandteil dieser Begleitung ist der Studierendenverein CLASH (Collectif de Lutte contre les Attitudes Sexistes en milieu Hospitalier). Nach Lausanner Vorbild kreiert, soll der Verein als unabhängige Instanz eine Kontrollfunktion ausüben. Die Medizinstudentinnen – bisher sind es nur Frauen – haben eine Webseite kreiert, auf der man je nach Präferenz anonym oder nicht anonym über erlebten und beobachten Sexismus und sexuelle Belästigung im Spitalumfeld berichten kann. Alternativ kann man sich dafür auch zwei Mal wöchentlich über eine Hotline telefonisch bei CLASH melden. «In erster Linie geht es darum, den Betroffenen Gehör und Verständnis zu schenken», berichtet CLASH-Präsidentin Lea. Oftmals reiche dies den Betroffenen. Ansonsten verweise man die Anrufenden auf Wunsch weiter an die Ombudsstelle der Universität Freiburg oder in besonders schlimmen Fällen an professionelle Opferberatungsstellen des Kantons. Alle Vorfälle werden in einem halbjährlichen anonymisierten Bericht gesammelt, der dann dem Institut für Hausarztmedizin, dem Kantonsspital und dem Freiburger Netzwerk für psychische Gesundheit vorgelegt wird.

Die Medizin als Safe Space

Neben dieser Kontrollfunktion liege den Vereinsmitgliedern insbesondere die Bildungsarbeit am Herzen, so Lea. «Unser langfristiges Ziel ist es, dass unsere Generation einmal zu besseren Vorbildern wird als es uns die aktuelle Ärzt*innengeneration ist. Die Medizin soll zum Safe Space werden, in dem sich alle Behandelnden und Behandelten wohlfühlen.» Neben dem Schwerpunkt Sexismus will CLASH deshalb durch Bildungsangebote Diskriminierung aller Art entgegenwirken: zum Beispiel dem Rassismus, dem Fat-Shaming und der Homo- und Transphobie. Nur so könne man sich auf Augenhöhe begegnen. Mit dem Verein hoffe man, dazu einen ersten Beitrag zu leisten.

Beispiel eines Plakats der Kampagne

 


Falls auch du Vorfälle von Sexismus oder sexueller Belästigung im Spitalumfeld erlebt oder beobachtet hast, melde dich bei CLASH via diesen Link oder mittwochs zwischen 19:00 und 21:00 Uhr und samstags zwischen 10:00 und 12:00 Uhr auf 079 619 90 03.
Auf ihrer Webseite kannst du mehr über den Verein erfahren.


Text: Smilla Schär
Bild: zvg, karakter graphic design