Victor Hugo schrieb: «Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist». Ein Artikel darüber, was Musik mit uns macht.

 

Macht der Musik

Wer kennt es nicht? Nach einem langen, anstrengenden Tag endlich die Kopfhörer aus der Tasche rauszuholen. Sobald auf dem Handy play gedrückt und das Volumen hochgefahren wird, scheint alles vergessen zu sein. Wenn wir unsere Lieblingssongs hören, passiert etwas ganz Besonderes. Die Töne, der Takt, die Stimmen und die Melodien gehen unter die Haut. Das eine Lied treibt uns zu Höchstleistungen, das andere überflutet uns mit Erinnerungen, ein drittes bringt uns Gänsehaut oder Tränen. Das alles liegt in der Macht der Musik.

 

Was passiert im Gehirn?

Der Musikneurologe Stefan Koelsch erklärt diese Macht wie folgt: «Durch Musik wird das Belohnungssystem in unserem Gehirn sehr stark aktiviert.» Dies funktioniert wie ein Schaltkreis. Beim Erklingen von Musik reagiert zuerst das limbische System, das Zentrum all unserer Emotionen. Wir werden mit Gefühlen überschwemmt, die je nach Lied ganz unterschiedlich sein können. Es generiert einen Drang, den die Grosshirnrinde dann als bewusstes Verlangen erfasst: das Verlangen nach Musik. Unser Belohnungssystem gibt uns die Anweisung, unser Verlangen zu stillen. Und so drücken wir auf unserem Handy wieder auf repeat.

 

Musik bewegt

Der Mensch reagiert auf Musik mit Emotionen. Viele Menschen nutzen die Musik instinktiv, um gewisse Gefühle zu erzeugen. Zum Sport machen hören sie antreibende Beats, zum Entspannen eher ruhigere Melodien. So haben auch Film- und Werbeindustrie den Nutzen von Musik erkannt: Keiner kann sich einen James Bond ohne das weltberühmte Intro vorstellen. Auch Westernfilme wären uns stumm vermutlich fremd. Die Filmmusik katapultiert uns in eine andere, fremde Welt. Eine Welt, die vielleicht nur mittels dieser bestimmten Musik erreicht werden kann, denn sie löst einzigartige Gefühle aus. Erst durch ihre Melodien bewegen uns Kino- und Werbefilme, wie es ohne sie nicht möglich wäre.

 

 

Alle lieben Musik

Musik ist überall. Frühmorgens im Radio, im Einkaufszentrum, in Nachtclubs, ertönt aus Blasinstrumenten oder erklingt von Tasten und Saiten. Sie hat ihren Weg in fast alle Bereiche des menschlichen Lebens gefunden. Der Musikneurologe Herr Koelsch meint, dass Musik das Faszinierendste sei, was die Menschheit je hervorgebracht hat. Ein Papagei kann zwar mit seinem Kopf im Takt mitwippen. Wir Menschen aber können mehr. Wir musizieren nämlich gemeinsam. Das ist der Unterschied. Wir grölen im Fussballstadion miteinander, um unsere Lieblingsmannschaft anzufeuern oder bilden ein Orchester, das die komplexesten Symphonien Beethovens spielt. Sie ist Teil unserer Kultur geworden und verbindet uns.

 

Eine universelle Sprache

Wie die Musik zum Teil unserer Kultur geworden ist, kann der Musikforscher Dr. Thomas Schäfer erklären: «Musik ist ein soziales Bindemittel». Darin läge auch der evolutionäre Nutzen der Musik. Dabei geht er sogar so weit und behauptet, dass es gar keine unmusikalischen Menschen gäbe. Musikalität definiert er nicht als Fähigkeit, den richtigen Ton zu treffen oder ein Instrument spielen zu können. Musikalisch sein heisst, auf Musik zu reagieren und deren Wirkung zu spüren. Dazu liefert er ein treffendes Beispiel: Wenn eine Gruppe gemeinsam Happy Birthday für eine geliebte Person singt, ist es unwichtig, wer die Töne trifft. Die unglaubliche Musikalität des Menschen liegt nämlich in der Fähigkeit, mittels eines simplen Liedes eine Gruppendynamik zu schaffen und für positive Gefühle zu sorgen. Im Fazit also: Alle Menschen verstehen die universelle Sprache der Musik, was nicht heisst, dass auch jede*r sie perfekt sprechen muss.

 

Text und Illustration: Pauline Anne Meyer