Im vergangenen Semester hat sich an der Universität Freiburg etwas getan. Das Philocafé in der Miséricorde wurde geschlossen. Der Raum ist nun fürs Picknicken freigegeben. Die einen jubeln, die anderen sind schockiert.


Studierende brauchen eine Mensa und Raum zum Picknicken, wo sie speisen und sich stärken können. Diese wichtige Angelegenheit diskutierten Studierende bereits vor knapp 60 Jahren an der Universität Freiburg. Denn sie erkannten: Auch ein leerer Bauch studiert nicht gerne. Im Jahr 1965 demonstrierten sie auf der Strasse für ein Foyer und damit für mehr Platz zum Essen. Das Spectrum berichtete in den folgenden Jahren immer wieder über die Mensa. Und auch jetzt ist es wieder an der Zeit, das Thema im Spectrum aufzugreifen. Denn dass in der Miséricorde Platzmangel zum Picknicken herrscht, ist nicht schwer zu erkennen. Viele Studierende setzen sich in der Mittagspause gezwungenermassen auf den Boden oder die Treppe. Mit der Schliessung des Philocafés soll sich dies ändern.

Heute, knapp 60 Jahre später

Angesichts der neuen Änderung habe ich Alexandre Gachet, den Verwaltungsdirektor der Universität Freiburg, kontaktiert.* Seit seiner Amtsübernahme setzt er sich dafür ein, einen guten Kontakt zur AGEF zu etablieren. Damit ist auch Claire Cottier, Vorstandsmitglied der AGEF und Verantwortliche für das Universitätsleben,* sehr zufrieden. «Der Vorstand der AGEF ist von der Zusammenarbeit mit Herrn Alexandre Gachet begeistert. Wir haben stark seinen Willen gespürt, schnelle und effektive Veränderungen auf dem Campus herbeizuführen. Der Verwaltungsdirektion war bereits bekannt, dass die Picknickplätze der Miséricorde nicht ausreichend waren, und so war es keine Überraschung, dass wir diese Anfrage stellten», sagt Frau Cottier.

 

Pilotprojekt

Über das neuste «Pilotprojekt» des Rektorats informierte eine Rundmail Anfang Frühlingssemester 2022. Die Cafeteria im MIS 02 oberhalb der Kapelle, von vielen «Philosophencafé» genannt, ist geschlossen worden. Der Raum steht nun fürs Picknicken zur Verfügung. Dass er während der Mittagszeit gefüllt ist, zeigt, dass mehr Raum fürs Picknicken an der Miséricorde eindeutig nötig war. Für Herrn Gachet bedeutet diese Umwandlung einen grossen Schritt nach vorne: «Die Studierenden der Universität Freiburg haben jahrelang um mehr Picknickplätze gebeten, doch wurde auf diesen Wunsch nie eingegangen. Dieser Raum bietet sich an, weil einerseits das Bedürfnis nach mehr Picknickraum besteht und diese Cafeteria andererseits seit Längerem im finanziellen Defizit ist», erklärt Herr Gachet. Die AGEF hat überwiegend positives Feedback erhalten, so Frau Cottier: «Man ist dankbar, dass sich Studierende nicht mehr gezwungen sehen, auf dem Boden zu essen!»

 

Die Cafeteria von Morgen

Der neue Picknickraum sei aber noch nicht fertig ausgestattet. Die Idee ist, aus der alten Cafeteria eine Art «Self-Service» Raum zu gestalten. So bliebe der Raum erhalten, man wird sich weiterhin verpflegen, sich dort aufhalten und verbleiben können. Dabei denke Herr Gachet nicht an Standard «Selecta» Automaten. Er zieht nachhaltigere Automaten mit lokalen Produkten vor, beispielsweise mit frischen Joghurts aus der Region. Er betont immer wieder, dass er für Wünsche und Ideen sehr offen ist. Dies beweist er mit seinem nächsten Projekt, das gemeinsam mit der AGEF auf die Beine gestellt werden soll. «Wenn Anfang Herbstsemester das Wetter mitspielt, dann werden wir auf dem Rasen neben der Mensa Tische und Bänke aufstellen, damit auch dort attraktive Plätze zum Picknicken geschaffen werden.» Als Alumni liegt Herrn Gachet sehr viel an dieser Universität. Die Universität existiere «par et pour les étudiant*es».

Il faut rétablir la Cafétéria de Miséricorde!

Aber nicht alle sind mit dieser Lösung zufrieden. Auf dieses «Pilotprojekt» reagieren Herr Thomas Hunkeler, Professor am Departement für Französische Sprache und Herr Bogner, Professor für Moraltheologie und Ethik, mit einer Petition. Sie wird von über 300 Personen unterzeichnet. Rund ein Drittel der Unterzeichnenden sind Studierende. Letzteres hat Herrn Gachet erstaunt, denn dieser Raum wurde seines Erachtens extra für die Studierenden umgestaltet. Die Petition verlangt die Erhaltung des Philosophencafés in seiner alten Form. Die Cafeteria sei ein Raum des Austausches und der Begegnung. Herr Gachet stimmt dem grundsätzlich zu. Seiner Ansicht nach wird dies auch weiterhin so bleiben, der Raum werde nur verändert. Auch Frau Cottier ist fest überzeugt, dass dieser Begegnungsraum erhalten bleiben wird.

Eine Frage der universitären Kultur

Herr Bogner vertritt eine ganz andere Ansicht: «Hier werden Menschen durch Maschinen ersetzt, dadurch ändert sich der Charakter dieses Raums elementar!» Dieser Raum muss zum Verbleiben und Verharren einladen, es soll eine Atmosphäre der Gastlichkeit herrschen. Die Bewirtung müsse erhalten bleiben. Er meint: «Das Rektorat muss hier weiterdenken und nach Wegen suchen, wie man dem ökonomischen Druck begegnen kann.» Herr Bogner nennt beispielsweise den Vorschlag eines gestaffelten Preissystems. Viele Professoren und Professorinnen seien bereit, mehr für den Kaffee zu bezahlen. Auch eine gemischte Option käme für ihn in Frage, denn selbstverständlich sieht auch er das Bedürfnis der Studierenden. Zwischen 12 und 14 Uhr könne der Platz für Picknick freigegeben werden. Doch dass die Cafeteria endgültig geschlossen werde, steht für ihn nicht zur Diskussion. «Attraktive Sozialräume sind elementar wichtig für ein gutes, produktives, gemeinsames Arbeiten.» Dafür müsse man bewusst Geld in die Hände nehmen.

Es bleibt abzuwarten, wie die Cafeteria von Morgen aussehen wird. Bislang habe das Rektorat den Gesprächsfaden der Petition nicht aufgenommen, sagt Herr Bogner. So wird sich wohl in diesem Semester zeigen, was aus dem «Pilotprojekt» wird. Noch ist sich die Universitätsgemeinschaft jedenfalls nicht einig.

Text und Illustration: Pauline Anne Meyer

 

*Die Gespräche mit Herrn Alexandre Gachet und Frau Claire Cottier wurden auf Französisch geführt, die Zitate ins Deutsche übersetzt