Japan ist von Europa tausende Kilometer weit entfernt. Kulturell kann diese Entfernung noch grösser sein.

Aus der japanischen Kultur kommen vermutlich Vielen dieselben Dinge in den Sinn: Anime, Sushi, Hochgeschwindigkeitszüge und Samurai Krieger. Japan ist ein Land, welches fasziniert und erstaunt. Über Japans kulturelle Eigenheiten und wie man sich darin zurechtfindet.

Hektik und Oase

Im Gegensatz zu europäischen, insbesondere Schweizer Grossstädten, sind Städte in Japan massiv. Die Dimensionen sind so unterschiedlich, dass für Japaner*innen, die mit dem Flugzeug in Zürich oder Genf landen, alles, was nur eine Stunde Autofahrt entfernt ist, quasi noch zur gleichen Stadt gehört. Das Leben in einer japanischen Stadt ist schnell und eng. Gerade die Wohnverhältnisse für junge Menschen in den Städten sind knapp. So leben mehrere junge Menschen in einer Wohnung mit zwei Zimmern und  alle schlafen im gleichen Raum. Auch optisch unterscheiden sich die japanischen Städte stark von jenen in der Schweiz. Hochhäuser, riesige Massen an Menschen und hektisches Getue prägen das Bild. Doch auch innerhalb der stressigen Städte gibt es kleine, friedliche Oasen. Die berühmten japanischen Kirschblüten in den Parks oder die Schreine, die in allen japanischen Grossstädten zu finden sind, lassen Ruhe in das Bild einkehren.

Ausserdem ist die Masse an Menschen nicht so überfordernd, wie man meinen könnte. Japaner*innen sind im Allgemeinen sehr freundlich und höflich. Obwohl in Stosszeiten eine unvorstellbare Anzahl an Menschen in den gleichen Zug einsteigen will, gibt es kaum Drängelei. Es wird aufeinander Rücksicht genommen. Dies zeigt sich bspw. auch am Tenji-Block. Ein Bodenleitungssystem, das sich durch die Grossstädte zieht, was blinden Menschen beim Navigieren hilft. Solche Markierungen sieht man hierzulande praktisch nur am Bahngleis. Mit viel Geduld wird für das Wohlbefinden aller Mitmenschen geschaut – was im Kontrast steht zum hektischen Chaos, das wir in japanischen Städten auf den ersten Blick wahrnehmen.

Trinkgeld: Ein No-Go

Höflichkeit und Freundlichkeit wird bei den Japaner*innen sehr wertgeschätzt. Einige der damit verbunden Verhaltensweisen können auf uns durchaus extrem wirken. So würde man eine japanische Frau niemals in der Öffentlichkeit lachen sehen, zumindest nicht so, dass sie ihre Zähne zeigt. Dies gilt als unhöflich. Daher wird beim Lachen die Hand vor den Mund gehalten. Auch das in der japanischen Kultur tiefverankerte Verbeugen kann für Schweizer*innen seltsam wirken. In Japan ist es üblich, sich vor dem Gegenüber zu verbeugen. Sogar der Billetkontrolleur tut dies, wenn er in den Zug ein- und aussteigt. Wiederum gibt es Praktiken, die in der Schweiz als unhöflich gelten und in Japan kein Stirnrunzeln verursachen. Beispielsweise das Schlürfen in Restaurants. Hier ein absolutes Fiasko, in Japan ein Zeichen, dass einem das Essen schmeckt.

Ein weiteres Beispiel für diese gegensätzliche Auffassung von Höflichkeit ist das Geben von Trinkgeld. In den meisten Ländern gilt es als eine Form der Wertschätzung und Bedankung für guten Service, wenn man Trinkgeld gibt. In Japan ist es fast schon eine Beleidigung. Das Annehmen von Trinkgeld wird sogar verweigert. Es wird als klar unhöflich gesehen, sich mit Geld zu bedanken. Ein «Dankeschön» wird lieber entgegengenommen. Die externe Motivation von einem monetären Erlös bei guter Arbeit existiert in Japan so nicht. Freundlichkeit und ein guter Service werden auch ohne dies vorausgesetzt. So bleibt Trinkgeld in Japan auf dem Tisch liegen oder wird zurückgegeben. Für beide Kulturen fordern diese zahlreichen Unterschiede eine grosse Umstellung.

Kulturelle Eigenheiten machen die Distanz zwischen Japan und Europa noch grösser. Doch die Anpassung lohnt sich, wenn man in den faszinierenden Städten an blühenden Kirschbäumen vorbeispaziert.

 

Text: Franziska Schwarz

Bild: Pixabay