Sie liebt ihn. Er liebt sie. Sie lieben sich nicht mehr. Eine Scheidungsanwältin über das Ende von Liebe.

Trennungen gehören zum Liebesleben dazu. Allein im Jahr 2021 liessen sich gemäss dem Bundesamt für Statistik 17’159 Ehen mit Scheidungen auflösen. Eine Zahl, die seit den 1960er Jahren konstant blieb. Wie eine Scheidung abläuft, und ob selbst noch an Liebe geglaubt wird bei ständiger Beschäftigung mit Scheidungen erklärt Scheidungsanwältin Melanie Friedrich.

Scheidungen in der Schweiz

In der Schweiz gibt es zwei Arten der Scheidung. Entweder sind sich beide Ehepartner einig oder die Scheidung wird gegen den Wunsch des*r Ehepartner*in eingereicht. Die erste Möglichkeit, eine einvernehmliche Scheidung, erlebt Anwältin Melanie Friedrich ihrer Einschätzung nach häufiger. Viele Paare kommen gemeinsam zu ihr und wollen die Scheidungsfolgen in einer Vereinbarung regeln.  Diese Scheidungen können laut Friedrich schon in vier bis sechs Monaten durch sein. Eine verhältnismässig schnelle Lösung, da eine Scheidung auch sehr viel mehr Zeit in Anspruch nehmen kann. Friedrich erzählt von Scheidungen, die schon seit 4 Jahren hängig sind. Dies kann durch komplexe Fragen rund um Investitionen in Grundstücke oder Unternehmen, oder aber durch Streit um Kinder und Sorgerecht passieren. In der Regel arbeitet Friedrich etwa ein Jahr an einem Scheidungsmandat.

Strittige Scheidungen sind komplexe Fälle, das bestätigt auch Friedrich. Dabei ist zum Beispiel das Beschaffen der erforderlichen Belege, die für die Aufteilung von gemeinsamen Vermögen entscheidend sind, eine Herausforderung für die/den beteiligte*n Anwält*in. Denn man muss alles genau beweisen können. «Das ist aber auch das Spannende», sagt Friedrich. Dies auch, da über Scheidungen im Gesetz nicht viel festgelegt ist und man daher als Anwält*in viel bei der Arbeit selbst erlernen kann.

 

 

«Dafür ist der rechtliche Weg nicht da.»

Streit, Schreien und aufgeladene Emotionen prägen das Bild der Scheidungen in der Gesellschaft. So schlimm sieht es in Wirklichkeit dann doch nicht immer aus. Friedrich selbst erlebt meistens, dass die Ehepaare schon getrennt sind, wenn sie zu ihr kommen, um eine Scheidung zu beantragen. Viele der Fälle, die sie behandelt, sind ausserdem Trennungsmandate. Dies beschreibt den rechtlichen Status vor einer Scheidung. Trotzdem sagt sie, dass Konflikte bei Scheidungen vorkommen können. Sie beschreibt die Arbeit eine*r*s Anwält*in dabei als «Gratwanderung». Einerseits soll den Klienten Gehör verschaffen werden, anderseits aber möglichst nichts Irrelevantes in den Fall einbezogen werden. Zum Beispiel erklärt Friedrich, dass der Grund für die Trennung oder Scheidung rechtlich nicht relevant ist. Dass eine Person trotzdem versucht, den/die Ehepartner*in als schlechte Person darzustellen, kann vorkommen. «Dafür ist der rechtliche Weg nicht da», sagt Friedrich klar. Sie erwähnt weiter, dass es bei solchen Vorkommnissen umso wichtiger ist, dass sich der/die Anwält*in auf die Fakten konzentriert. Eine Person, die selbst gerade eine Trennung oder Scheidung durchmacht, kann dies wohl nicht immer. Friedrich meint, dass es in manchen Fällen sinnvoll sei, zuerst die zwei im Schweizer Gesetz vorgesehenen Trennungsjahre abzuwarten und nicht direkt die Scheidung anzupacken. Diese bringen Ruhe und Distanz in dieses emotionale Verfahren.

Ist Liebe noch möglich?

Nach eigener Einschätzung behandelt Melanie Friedrich zwischen fünfzig bis achtzig Trennungs- und Scheidungsmandate im Jahr. Viele dieser können parallel laufen, da nicht immer in jedem Fall etwas Dringendes ansteht. Dies verbunden mit der seit etwa sechzig Jahren konstanten Statistik der Schweizer Scheidungsfälle wirft die Frage auf, wie man als Anwältin, die sich ständig mit dem Ende anderer Beziehungen beschäftigt, noch an Liebe glauben kann. Mit einem Lachen widerspricht Friedrich dieser Idee. Sie glaubt, dass eher das Gegenteil der Fall ist. Obwohl sie als Anwältin genau weiss, was schief gehen kann, ist sie selbst verheiratet und tat dies aus rein romantischem Grund. Ausserdem meint sie, dass sie durch ihre Arbeit viel über Beziehungen und Ehen lernt. «Oftmals erzählen Klient*innen, dass sie sich mangels Kommunikation und gegenseitigem Interesse auseinandergelebt hätten», fügt sie an.

Trennungen und Scheidungen können dramatisch sein. Sie bedeuten das Ende einer Liebe. Eine eher traurige Aussicht auf die Liebe in der Welt. Doch Melanie Friedrich sagt klar, dass obwohl sie sich mit dem Liebesende anderer Personen beschäftigt, ihr eigner Glaube an Liebe nicht verloren geht.

 

Text Franziska Schwarz

Illustration Anna Salvisberg

 


Melanie Friedrich

Rechtsanwältin | Notarin | Partnerin Kanzlei Tschümperlin Lötscher Schwarz, Luzern | Fachanwältin SAV Familienrecht 

Melanie Friedrich schloss 2010 den Bachelor of Law an der Universität Freiburg ab. 2012 folgte der Master of Law an der Universität Luzern. Im Jahr 2013 erlangte sie das Anwaltspatent. Seit 2016 ist sie in der Kanzlei Tschümperlin Lötscher Schwarz, wo sie im Jahr 2022 Partnerin wurde. Sie ist verheiratet und ist Mutter von Zwillingen.

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