Alle sprechen davon, doch so richtig da war sie noch nicht. Oder vielleicht schon und wir haben nur gar nichts davon gemerkt. Den Medien zufolge ist sie schon lange gekommen und für das Bundesamt für Gesundheit (BAG) wütet sie mit grösster Heftigkeit.

Ich spreche natürlich von der Schweinegrippe-Pandemie. Alles begann in Mexiko und viele dachten, der Weltuntergang stehe bevor. Das war auch schon in den letzten Jahren oft der Fall. Da gab es SARS und die Vogelgrippe, aber die Welt überlebte jedes Mal mehr oder weniger unbeschadet. Nur scheint sich keiner mehr daran zu erinnern. Die Schweizer Boulevardmedien schockten mit Schlagzeilen wie “Schon 10 infizierte Schweizer!“ das ganze Land.

Und nun zieht auch das BAG munter mit. Da werden Merkzettel verteilt, wo genau erklärt wird, wie die vier Schritte des richtigen Händewaschen aussehen: Einseifen, Reiben, Abspülen, Trocknen. Und die wichtigste Vorbeugemassnahme: Jedes Familienmitglied hat seine eigene Zahnbürste! Da wird meine Mutter aber traurig sein, dass wir nicht mehr teilen dürfen. Das schlimmste sind aber diese Werbespots mit Beat Schlatter, der uns auffordert zu Hause zu bleiben, weil durch die Ansteckung sonst die halbe Schweiz im Bett liegt. Die volkswirtschaftlichen Schäden wären immens. Das stimmt sicher. Nur wird jetzt jeder, der eine kleine Erkältung hat, gleich zu Hause bleiben, und alle Faulpelze werden ihrem Chef am Telefon hustend versichern, dass sie die Schweinegrippe haben und ja nicht das ganze Büro anstecken wollen. Der volkswirtschaftliche Schaden wird immens sein.

Aber damit die Welt untergeht, braucht es auch eine grosse Anzahl an Toten. Das BAG rechnet in der Schweiz mit 2‘000 Toten durch die Schweinegrippe. Reicht zwar nicht für das Aussterben der Schweiz, klingt aber schon nach viel. Nur müsste da noch angefügt werden, dass jedes Jahr in der Schweiz 800-1‘000 Menschen an der normalen Grippe sterben. Der Weltuntergang steht uns also nicht bevor. Was uns aber sicher bevorsteht, sind noch viele erschreckende Schlagzeilen der Zeitungen, hysterische Warnungen des BAG, traurige Schüler, weil ihr Klassenlager oder ihr Sporttag völlig unsinnigerweise abgesagt wurde und eine sehr positive Jahresbilanz von Roche.

Von Cyril Lilienfeld (veröffentlicht im Spectrum 04/09)