Elite-Unis, wie sie in Grossbritannien und den USA existieren, gibt es in der Schweiz nicht. Für Maturanden gelten mit Ausnahme der Medizin für kein Studium Zulassungsbeschränkungen. Die Ivy League jedoch ist weltberühmt. Was macht ihren besonderen Reiz aus? Darüber hat Spectrum mit Andreas Frutiger gesprochen, der seine Masterarbeit an der Harvard University in Boston geschrieben hat.
Sie heissen Brown, Columbia, Cornell, Dartmouth, Harvard, Princeton, Pennsylvania und Yale: Diese acht prestigeträchtigsten Universitäten der USA bilden die weltberühmte Ivy League. Sie bieten Tradition und erstklassige Forschungsleistung, kämpfen um die besten Professoren, exzellente Studierende, Forschungsgelder und Nobelpreise. Hier haben Al Gore, Bill Gates und Mark Zuckerberg studiert, ebenso mit George Bush senior und junior, Bill Clinton und Barack Obama die letzten vier US-Präsidenten.
Aufnahmequote eins zu zehn
Das Bewerbungsverfahren ist extrem aufwendig und kann bis zu anderthalb Jahre dauern. Nicht nur das Zeugnis zählt: Es müssen verschiedene Empfehlungsschreiben, Nachweise über ausserschulische Aktivitäten, Urkunden, Essays und Motivationsschreiben eingereicht werden. Zudem werden in verschiedenen Scholastic Assessment Tests (SAT) Fähigkeiten in Mathematik, Literatur und Grammatik abgefragt. Eingeladene Bewerber müssen dann in einem Gespräch von ihrer Persönlichkeit überzeugen. Für den Abschlussjahrgang 2018 wurden von 253’457 Bewerbern gerade einmal 22’592 zugelassen. Die Chance auf einen Platz an einer Ivy-League-Uni liegt damit bei 10 Prozent.
Alltag, Abschluss und Alumni
Die Lehrbedingungen könnten kaum besser sein: In Harvard beispielsweise kommen im Schnitt neun Studierende auf einen Professor. Und wo sonst werden Kurse von Nobelpreisträgern geleitet? Neben dem Studium erhalten bauen die Absolvierenden zudem ein Netzwerk einflussreicher Alumni auf, die ihnen so manche Tür in ein erfolgreiches Berufsleben öffnen können. Ein Abschluss von Harvard und Co. ist zwar nicht automatisch ein Ticket in die First League der Arbeitswelt, vereinfacht aber auf jeden Fall die angestrebte Topkarriere. Zudem zahlt nur ein kleiner Teil der Studierenden an Ivy-League-Universitäten die immensen Studiengebühren von 35’000 bis 45’000 US-Dollar im Jahr vollständig selbst, viele können Unterstützung über Stipendien oder direkte finanzielle Hilfe der Hochschulen beziehen. Von seinem Austauschsemester an der Harvard University erzählt Andreas Frutiger, der Umgang mit den Professoren sei dank flacher Hierarchien locker, es komme in Harvard durchaus vor, dass Professoren sich zu einem High Five oder einer freundschaftlichen Umarmung hinreissen liessen. Der Grossteil der Studierenden sei hochmotiviert, strebe eine Firmengründung oder Professur an. In einem so kompetitiven Umfeld sei dann der Leistungsdruck sehr hoch, was aber auch zu einer persönlichen Entwicklung im Schnellzugtempo beitrage.
Mit Vorsicht zu geniessen
Der Ivy League haftet dennoch aus vielerlei Gründen etwas Bitteres an: Noch immer werden bei der Aufnahme trotz angeblich objektiven Zulassungskriterien Kinder von Alumni der jeweiligen Universität bevorzugt. Darüber hinaus entstammen 74 Prozent der undergraduate-Studierenden an den besten Universitäten dem wohlhabendsten Viertel der Bevölkerung; von Chancengleichheit kann also nicht die Rede sein. Ausserdem erzählt Andreas, die Kurse seien nicht zwingend anspruchsvoller als an Schweizer Unis und die Labors nicht per se besser ausgerüstet als an der ETH. Den Reiz der Ivy League macht etwas anderes aus: Alle kennen sie und alle kennen das komplizierte und aufwendige Auswahlverfahren. Schon die blosse Aufnahme an einer Elite-Uni zeigt, dass man gut ist und viel geleistet hat. Das anschliessende Studium ist beinahe zweitranging, denn für die Aufnahme an eine Elite-Uni hat man sich derart beweisen müssen, dass das Label Ivy League danach kaum hinterfragt wird. Auf Konferenzen muss man folglich wenig tun, man trägt ja schon den Stempel auf seinem Lebenslauf mit sich herum. Insofern lautet Andreas’ Fazit: An einer guten Uni lernt man was. An einer Elite-Uni lernt man zumindest, sich in einem anspruchsvollen Umfeld zu behaupten.