Das Studentenleben in den Vereinigten Staaten kennen wir vor allem aus Fernsehserien. Doch wie sieht die Realität aus? Spectrum hat Studierende von dort und Austauschstudierende gefragt, wie es sich wirklich auf einem amerikanischen Campus lebt.

Rebekka Christen & Mersid Hazbiu

Zum Aufnahmeprozess:

Teianna Chenkovich, 20, Anthropologie und Tanz
Hobart and William Smith College, New York, 2014-2018

„Nachdem ich aufgrund meiner Bewerbung am Tanz-College aufgenommen wurde, musste ich sicherstellen, dass meine Familie die Studiengebühren bezahlen konnte, bevor ich das Angebot annahm. Ausserdem gab es viel Papierkram zu erledigen. Es war ein langwieriger und zeitaufwändiger Prozess, bis ich endlich immatrikuliert war.“

Nicolas Mäder, 25, Volkswirtschaftslehre
Emory University, Georgia, 2012, Austauschstudent

„Mein Austausch war grösstenteils von der Universität St. Gallen organisiert. Dabei wurden die Plätze jeweils nach Präferenz und Notenschnitt im Assessmentjahr verteilt. Ich musste keinen Essay schreiben. Mit der Emory University im Bundestaat Georgia hat es schon mit meiner dritten Priorität geklappt.“

Zu Rassismus und Diskriminierung:

Brittani Samuel, 19, Interkulturelle Kommunikation und Theater 
State University of New York,  2013-2017

„Ich bin eine der wenigen karibischen Studentinnen im weissen Upstate New York, kann jedoch nicht behaupten, schon einmal Opfer von direktem Rassismus gewesen zu sein. Verletzende und beleidigende Dinge höre ich aber ab und zu. Ich bin Mitglied der Black Student Union. Das ist eine nationale Organisation, der man an vielen amerikanischen Colleges beitreten kann. Sie bietet Unterstützung und eine Plattform zur Diskussion von Angelegenheiten, die uns Schwarze betreffen. Nebst dem gemeinsamen Austausch organisieren wir auch Aktionen und Proteste. Die Black Student Union  zeigen sich anlässlich jüngster Enthüllungen von Fällen grosser Polizeigewalt und anderen Ungerechtigkeiten gegenüber Schwarzen zunehmend aktiv. Ich freue mich, als Stimme für die Minderheiten dienen und anderen Studierenden eine neue Sichtweise bieten sowie ihnen dabei helfen zu können, ihre Voreingenommenheit abzulegen. Denn die meisten von ihnen sind in einer weissen Nachbarschaft aufgewachsen und hatten daher nur wenig Kontakt mit Schwarzen. Meine Mitbewohnerin beispielsweise hatte vor mir erst eine andere schwarze Person kennengelernt!“

Zu Campusleben und Unterricht:

Jessica Wyrsch, 22, Medienforschung und Kommunikationswissenschaften
Michigan State University,  Herbst 2015, Austauschstudentin

„Die Rivalität zwischen den Universitäten und den Sportteams der Unis fördern einen starken Teamgeist für die eigene Schule. Alle tragen Kleider der Universität oder mit deren Logo. Der Unterricht war dem am Gymnasium ähnlich und für mich gut zu meistern: Hausaufgaben, Kurztests und Präsenzüberprüfung.“

Adam Schlesener, 27, Computer Science
Olympic College, Washington, 2013-2017

„An meiner Universität sind überraschend viele Studierende mittleren Alters eingeschrieben. Für mich war das eine interessante Erfahrung, da ich mir die Uni immer als Ort für junge Erwachsene vorgestellt hatte.“

Andreas Frutiger,
Harvard University, Boston, 2014, Austauschstudent

„Mir ist aufgefallen, dass man mit den Amerikanern sehr viel schneller und lockerer ins Gespräch kommt. Da kann es passieren, dass man allein im Café sitzt und nur kurze Zeit später spontan mit jemandem, den man gar nicht kannte, lacht oder diskutiert – über irgendetwas. Und das ÖV-System in Boston ist gewöhnungsbedürftig: Laut Fahrplan kommt dreimal pro Stunde ein Bus, man würde also meinen, alle zwanzig Minuten. Mitnichten: Es kann durchaus sein, dass zwei Busse direkt hintereinander kommen und man, wenn man beide verpasst hat, vierzig Minuten auf den nächsten warten muss. Gleich nach den ersten zwei Wochen habe ich mir ein Fahrrad gekauft.“