Das Aussehen nimmt in unserer Gesellschaft einen wichtigen Stellenwert ein, seien wir ehrlich. Vor allem Frauen wird durch Werbung und Medien ständig vermittelt, wie sie auszusehen haben, welcher Norm sie entsprechen und wem sie nacheifern sollen. Doch wann geht dieser Schönheitswahn zu weit?

In jeder Kultur wird Schönheit anders definiert. Mancherorts gelten dicke Menschen als schön, weil genug Essen dort ein Zeichen von Wohlstand ist. Bei uns in Westeuropa verhielt sich das in früheren Epochen genauso, heute ist das Gegenteil der Fall. Als das für Frauen propagierte Ideal gilt der Modelkörper mit den Massen 90/60/90. Dazu eine ebenmässige Haut, ein symmetrisches Gesicht und eine gewisse Körpergrösse. Obwohl es ziemlich unrealistisch ist, wird dieses Ideal immer weiter von den Medien verbreitet. Das führt dazu, dass viele Frauen und junge Mädchen äusserliche Veränderungen anstreben, um diesem Ideal so nahe wie möglich zu kommen.

Werbung für Beauty-OPs

Denn ein perfektes Äusseres zu erreichen, scheint nicht schwer zu sein – zumindest, wenn man der Werbung glaubt. Cremes, Makeup oder Diätpillen versprechen, dass die Käuferin auch mit vierzig noch so aussehen kann wie das zwanzigjährige Model auf dem Bild. Und das ist noch nicht alles: Plakate an verschiedenen Bahnhöfen der Schweiz warben vor kurzer Zeit für Brustoperationen. Das an sich ist noch kein Skandal. Ein Skandal sind vielmehr die Slogans über den überretuschierten Modelgesichtern: „Meine Dinger. Mein Ding“ oder „Ich mache es für mich“. Wenn sich frau das lange genug einredet, glaubt sie es am Ende vielleicht sogar selbst. Natürlich kann ein Eingriff bei physischen oder psychischen Problemen durchaus Sinn machen. Ob Schönheitskliniken jedoch im öffentlichen Raum Werbung machen sollten, ist allerdings äusserst fraglich. Kritisiert werden solche Plakate vor allem, weil sie Operationen als alltägliches Konsumgut darstellen. Aus diesem Grund wurde mancherorts sogar ein Verbot durch den Bund oder Kanton diskutiert.

Diktat der Gesellschaft

Solche Beispiele zeigen, welch hohe Erwartungen an Frauen gestellt werden. Schön zu sein oder das zumindest anzustreben, scheint ein Muss. Gleichzeitig werden Frauen verurteilt, wenn sie sich zu sehr um ihr Aussehen kümmern. Wer allzu viel Makeup trägt und allzu fest auf seine Kleidung achtet, wird häufig als dumm oder oberflächlich abgestempelt. Sieht eine Frau gut aus und hat eine hohe berufliche Position, wird behauptet, sie habe sich hochgeschlafen. Sieht sie nicht gut aus, disqualifiziert sie das als Führungskraft.

 Schönheit und Politik

Auch Frauen in der Politik haben es im Bezug auf ihr Aussehen nicht immer leicht. Sie erleben zwar nicht unbedingt mehr verbale Angriffe auf ihre Person als ihre männlichen Kollegen, aber eines fällt doch auf: Wird eine weibliche Politikerin kritisiert, geht es vor allem in den sozialen Medien häufig um ihr Aussehen. Das scheint zunächst ziemlich abwegig, da Schönheit nicht allzu viel mit politischem Erfolg zu tun haben sollte. Trotzdem geschieht es immer wieder. Man erinnere sich zum Beispiel an den Vorfall, als SVP-Nationalrat Andreas Glarner das Foto zweier SP-Politikerinnen auf Twitter veröffentlichte und dazu schrieb: „Ich verstehe irgendwie schon, warum sie links und feministisch sind.“ Glarner streitet zwar im Nachhinein ab, damit auf das Aussehen der Politikerinnen Bezug genommen zu haben. Trotzdem liegt die Interpretation nahe, dass hässliche Frauen keinen Mann bekämen und aus diesem Grund Feministinnen würden. Und darum zeigt diese Episode eindeutig, wie tief die Verbindung zwischen Schönheit und Erfolg in der Gesellschaft verankert ist.

Illustration: Clarisse Aeschlimann