ECTS-Punkte für eine militärische Kaderausbildung: An mehreren Schweizer Universitäten ist dies bereits Realität. Die Uni Freiburg gehört nicht dazu. Spectrum ist dem Stand der Dinge, der Position der Uni Freiburg, den Fragen und Argumenten auf den Grund gegangen.
Der Schweizer Armee fehlt es zunehmend an Führungskräften. Immer weniger Soldaten entscheiden sich dafür, nach der Rekrutenschule in der Armee weiterzumachen. Um die Attraktivität der militärischen Kaderausbildung zu erhöhen, strebt das Verteidigungsdepartement (VBS) bis Ende 2017 die Zusammenarbeit mit allen Schweizer Hochschulen an. Dank sogenannten Anerkennungsvereinbarungen sollen sich Studierende ihre militärische Ausbildung in Form von ECTS-Punkten ans Studium anrechnen lassen können.
St. Gallen, Neuenburg und Zürich
Pionierin ist die Universität St. Gallen (HSG): Seit dem Herbstsemester 2012 gibt es im Bachelorstudium je nach Dienstgrad vier bis sechs Kreditpunkte. Im Master können sich Einheitskommandanten oder Stabsoffiziere nochmals sechs Punkte anrechnen lassen. Bis zu zwölf ECTS-Punkte gibt es also für Armeekader an der HSG. Bedingung für deren Validierung ist das Bestehen der Führungsausbildung sowie das Verfassen einer schriftlichen Arbeit über militärische Führungsgrundsätze.
Die Uni Neuenburg und neu auch die Uni Zürich, an deren wirtschaftswissenschaftlicher Fakultät seit diesem Herbstsemester ebenfalls Vierfrucht-Punkte vergeben werden, sehen vom Erbringen einer akademischen Leistung zur Validierung der militärischen Punkte ab: Das Bestehen der Führungsausbildung genügt. Dasselbe gilt für alle sieben öffentlich-rechtlichen Fachhochschulen der Schweiz.
Die Universitäten Basel und Luzern planen die Einführung dieser Möglichkeit an gewissen Fakultäten für das Jahr 2017.
Universität Freiburg
Mit der Uni Freiburg gibt es bis heute keine Anerkennungsvereinbarung. Auch konkrete Pläne, eine solche in absehbarer Zeit abzuschliessen, existieren nicht. Ein Vorstoss der Offiziersgesellschaft (OF) der Universität Freiburg vor rund drei Jahren wurde laut Pirmin Niederberger, Präsident der OF, vom Rektorat abgelehnt. Die militärischen Kaderschulen seien keine universitären, von Bologna als solche anerkannten Bildungsinstitutionen. Seit dem Amtsantritt des neuen Rektorats vor gut eineinhalb Jahren wurde dieses Thema nicht mehr diskutiert.
Prof. Dr. Thomas Schmidt, Vizerektor der Uni Freiburg, meint, eine allfällige zukünftige Anfrage müsste sicherlich sorgfältig geprüft und im Rektorat besprochen werden. Eine eventuelle Einführung einer Anerkennungsvereinbarung für bestimmte Fakultäten wie Rechts- oder Wirtschaftswissenschaft schliesst er nicht per se aus. Schmidt steht der Frage jedoch auch kritisch gegenüber: „Ich persönlich sehe keinen Grund, die Armeeausbildung gegenüber anderen Führungsausbildungen zu privilegieren.“ Wenn für die militärische Ausbildung Kreditpunkte verteilt werden, müsste man diese Möglichkeit konsequenterweise auch auf andere ausseruniversitäre Ausbildungsangebote ausweiten.
Weitere Diskussionspunkte
Die Vorteile für die Armee sind klar: Durch Anerkennungsvereinbarungen mit Universitäten wird der Militärdienst für eine junge, gebildete, zielorientierte zukünftige Elite attraktiver gemacht. Nichtsdestotrotz stehen, ergänzend zu Schmidt, noch weitere kritische Fragen im Raum. So zum Beispiel jene der Gleichberechtigung: Dienstuntaugliche bleiben von der Möglichkeit weitgehend ausgeschlossen. Ausserdem ist es legitim zu fragen, ob das VBS damit nicht falsche, kontextferne Anreize für eine Militärkarriere schafft. Diese und weitere Fragen müssten im Rektorat in Zukunft diskutiert werden, sollte das VBS die Verhandlungen mit der Uni Freiburg wie geplant bis Ende 2017 aufnehmen wollen.
Illustration: Clarisse Aeschlimann