Häuser zu besetzen bedeutet, Leerräume zu füllen und Freiräume zu schaffen. Es heisst auch, sich an den Rand der Legalität und somit an den Rand der Gesellschaft zu begeben. So handelt es sich bei Hausbesetzenden häufig um junge, links-alternative Leute. Der Studentenstadt Freiburg sollte es an solchen Leuten eigentlich nicht mangeln. Weshalb fällt die Besetzerszene heutzutage also hauptsächlich durch ihre Inexistenz auf?
In der Vergangenheit gab es in Freiburg durchaus Versuche, die Stadt zu einem Teil der Schweizer Besetzerszene zu machen. Das Besetzerkollektiv Raie Manta wollte 2010 leerstehende Häuser zu neuem Wohnraum umfunktionieren. Innerhalb von gut zwei Monaten versuchten sie, nacheinander vier Liegenschaften zu besetzen. Aus jeder wurden sie innert kürzester Zeit polizeilich vertrieben, einer der Versuche wurde nach nur zwei Stunden gewaltsam beendet.Der sechste und letzte Versuch scheiterte im Mai 2011: Das Kollektiv stand zwar in Verhandlungen mit der Besitzerin, die keine Anzeige wegen Hausfriedensbruch eingereicht hatte, wurde aber wegen Störung der öffentlichen Ordnung dennoch polizeilich aus dem Haus vertrieben. Dieses rigorose Durchgreifen der Polizei ist zwar rechtlich fragwürdig (zumindest in letzterem Beispiel), hatte aber durchaus Erfolg – das Raie-Manta-Kollektiv scheint seither keine Besetzungsversuche mehr unternommen zu haben.
Intersquat Festival
Im Juli 2012 war dann die bis heute letzte grössere Aktion der Freiburger Besetzerszene geplant: Man wollte auch Freiburg am Intersquat Festival teilnehmen lassen. Für dieses Besetzer-Festival waren illegale Partys und vorübergehende Hausbesetzungen in mehreren Schweizer Städten geplant. Die Polizei war allerdings vorbereitet, sodass es gar nicht erst zur Besetzung des damals leerstehenden Kino Rex kam. Von schätzungsweise achtzig Personen wurden gut fünfzig unter Einsatz von Pfefferspray verhaftet. Eine Teilnehmerin berichtet auch von weiterer exzessiver Gewaltanwendung, davon, wie sie eingeschüchtert und von mehreren Polizisten zu Boden gedrückt wurde: „Dieses Erlebnis hat mich verstört und hat mich definitiv radikalisiert.“ Alle Verhafteten wurden dazu gezwungen, sich DNA-Proben und Fingerabdrücke nehmen zu lassen, und verbrachten die Nacht in völlig überfüllten Zellen im Gefängnis. Der Straftatbestand war erneut die Störung öffentlicher Ordnung, ein Sammelbegriff für alle nicht tolerierten Verhaltensweisen, die unter keinem anderen Strafbestand geahndet werden können. Am nächsten Morgen konnten alle wieder nach Hause gehen, die Anklagen wurden fallengelassen.
Die positive Seite besetzter Häuser
Hausbesetzungen sind ein krasser Angriff auf einen der Grundwerte unserer Gesellschaft: Das Eigentum. Da dieser Eigentumsgedanke in solchen Wohnformen aber so radikal abgelehnt wird, stehen diese Häuser theoretisch auch jedem offen. Das schafft Wohnraum für Leute, die ohne eine solche Szene kein Dach über dem Kopf hätten. Das Raie-Manta-Kollektiv hatte, wie das in vielen anderen Besetzungen der Fall ist, auch im Sinn, Raum für alternative Kultur, für Kreativität und für politische Diskussionen zu schaffen. Diese Aspekte besetzter Häuser werden in unserer Medienlandschaft komplett ignoriert. Die einzigen Artikel, die zu Hausbesetzungen zu finden sind, sind Polizeimeldungen zu deren Räumung oder aber zu darauffolgenden Gerichtsverhandlungen. Die öffentliche Meinung, dass Hausbesetzer linksradikale Nutzniesser sind, wird so zementiert. Das ist auch viel einfacher, als sich ernsthaft zu überlegen, ob den Forderungen nach bezahlbarem Wohnraum und mehr Freiräumen in unserer durchstrukturierten Gesellschaft vielleicht Folge geleistet werden müsste Indem Zwischennutzungen toleriert werden. Und indem Vielfalt gefördert wird.
Foto: Gioja Weibel