Während über zwei Dritteln des Jahres sind 220 Mitarbeiter mit dem Zirkus Knie auf Tournee und ohne festen Wohnsitz. Ein Blick hinter die Kulissen zeigt, welch akribische Planung dies voraussetzt und weshalb Monotonie im Zirkus ein Fremdwort sein muss.

Seit Mitte März ist der Schweizer Nationalzirkus Knie auf seiner 98. Tournee unterwegs quer durch die Schweiz. Bis zum Ende der Tournee im November legt der Zirkustross mit seinen über sechzig Wohnwagen und 140 Anhängern etwa 3’500 Strassenkilometer zurück. Dazu kommen knapp 2’500 Kilometer mit den beiden Zugkompositionen mit einer Gesamtlänge von über siebenhundert Metern. Dabei macht er Halt in 41 verschiedenen Ortschaften. An diesen Zahlen wird deutlich: Eine so gross angelegte Zirkustournee bedarf einer fehlerlosen Planung bis ins letzte Detail.

Organisiertes Unterwegssein

Der Zirkus Knie kann laut Jessica Künzle, Medienverantwortliche des Zirkus Knie, auf langjährige Erfahrung und gute Beziehungen zu allen Spielorten zählen. Dies führt dazu, dass er in den letzten Jahren mit jeder Tournee mehrheitlich an denselben Orten gastieren konnte. Varianz gibt es jedoch in der Reihenfolge der Spielorte. Ausserdem kommen jedes Jahr ein paar neue Ortschaften dazu.

Die Anzahl verfügbarer Plätze, die für ein Gastspiel des grössten Schweizer Zirkus infrage kommen, ist limitiert. Immerhin müssen die Plätze eine Fläche von rund 30’000 Quadratmetern aufweisen, damit sich der Zirkus mit Zelt, Zoo, Ställen, Werkstätten und Anhängerpark darauf einrichten kann. Um sicherzustellen, dass die Tourneeplanung funktioniert, werden laut Künzle die Bewilligungen für die Plätze bereits zwei oder sogar drei Jahre im Voraus eingeholt.

Von vielen verschiedenen Formen des Nomadentums ist das Zirkusleben wohl eine der strukturiertesten. Dennoch herrscht auf Tournee die spezielle Atmosphäre des Unterwegsseins.

Multikulturelle Grossfamilie

Mal sind es grüne Wiesen, mal idyllische Berge, ein ruhiger See oder eine Stadt: Immer wieder bietet sich ein anderer Ausblick, wenn man auf der Tournee morgens die Fensterläden des Wohnwagens öffnet. Darin besteht für die Zirkusleute ein grosser Reiz am Zirkusleben. Da nebst den Artisten auch viele Mitarbeiter jedes Jahr wieder mit auf Tournee sind, vergleicht Jessica Künzle das Zusammentreffen im März jeweils mit einer grossen Familienzusammenkunft. Das Zirkusleben während der Tournee ist dann einem Leben in einer multikulturellen Grossfamilie auch sehr ähnlich: 220 Personen aus zwölf Ländern und unterschiedlichen Kulturen leben hier auf engem Raum zusammen. Damit alle am selben Strick ziehen und zusammen zum Gelingen der Tournee beitragen können, müssen Zirkusleute punkto Kultur enorm offen sein. Künzle berichtet von einer grossen Hilfsbereitschaft. Das Zusammenleben und Arbeiten funktioniere im Zirkus Knie sehr gut.

Nach gut acht Monaten auf Achse gibt es aber auch einige Aspekte, die man in der Winterpause umso mehr schätzt. Der wohl wichtigste ist die Privatsphäre: Die ständige räumliche Nähe zur ganzen Zirkusgesellschaft lässt relativ wenig Raum für sich selbst. Diese gilt es nach der Tournee dann umso mehr zu geniessen.

Monotonie ist unerwünscht

344 Mal wird das gleiche Programm gespielt, 41 Mal dasselbe Zelt aufgestellt: Bei so vielen genormten Abläufen und einer derart durchstrukturierten Tournee liegt die Frage nach aufkommender Monotonie auf der Hand. Der Clown des aktuellen Programms, David Larible, sagt jedoch, es dürfe für einen Artisten gar keine Monotonie geben. Jeden Abend müsse er das Publikum, das in jeder Stadt wieder ein anderes ist, von Neuem verführen und zum Lachen bringen können. Monotonie würde es unmöglich machen, sich auf das Publikum einzulassen, und das sei schliesslich essentiell in der Zirkusmanege. Den lebenden Beweis dafür, dass Monotonie unter Zirkusartisten ein Fremdwort ist, liefert Zirkusdirektor Fredy Knie Junior, der dieses Jahr sein 65-jähriges Jubiläum in der Manege feiert.

Foto: Noah Fend