Mittlerweile wird sich offen über alles lustig gemacht. Selbst über Gegebenheiten, die eigentlich nicht zum Lachen sind. Humor ist ja schliesslich, wenn man trotzdem lacht. Doch gibt es dabei auch Grenzen, die es nicht zu überschreiten gilt?
In Berufung auf das Recht auf freie Meinungsäusserung könnte argumentiert werden, dass Humor kein Tabu kennt. Doch ganz so einfach ist das nicht. „Die Grenzen sind relativ; was einer lustig findet, das lässt einem anderen den Kragen platzen. Man muss ein gewisses Gespür dafür entwickeln“, so Oliver Krüger, ordentlicher Professor für Religionswissenschaft an der Universität Freiburg und Dozent der Bachelor-Vorlesung „Religion, Humor und die Grenzen der Toleranz“. Denn Humor unterscheide sich nicht nur interkulturell, er ist mindestens auch milieu-, gender- und altersspezifisch. So rief etwa Monty Pythons Das Leben des Brian nach der Veröffentlichung 1979 in diversen Ländern unter Vorwurf der Blasphemie grossen Widerstand hervor. Die britische Komödie durfte auch in Freiburg lange nicht vorgeführt werden. Doch was früher für viele eine Grenzüberschreitung bedeutete, das löst heutzutage nur noch ein schwaches Zucken im Mundwinkel aus – die Grenzen des Humors haben sich verschoben.
Mit Humor Unaussprechliches ansprechen
Auch wenn Das Leben des Brian nicht mehr dieselben Reaktionen auslöst wie vor rund vierzig Jahren, bildet die Religion an sich für weite Teile der Gesellschaft die Grenze des Humors. Ist das tatsächlich so? „Religion ist beispielsweise auch ein starkes Thema in der politischen Satire, was seinen Höhepunkt etwa in Zusammenhang mit dem Kindsmissbrauch in der Katholischen Kirche erreichte“, meint Oliver Krüger. „Die Arten, wie wir über Probleme sprechen, sind vielfältig – Humor gehört auch dazu.“
Schimpfen über die da oben
Grundsätzlich ist das „Sich-lustig-machen“ über die Schwächen von Hierarchien ein Mechanismus, der weit zurückgeht in die Geschichte der europäischen Gesellschaften, bis hin zu den Hofnarren. Diese hatten Narrenfreiheit, wodurch sie ohne zu erwartende Konsequenzen vorherrschende Zustände kritisieren und gar Adlige parodieren durften. „Die Kehrseite davon ist der Humor, der auf die Schwachen der Gesellschaft gerichtete ist“, erklärt Oliver Krüger. „So etwa als Donald Trump im Rahmen eines Wahlkampfauftritts einen behinderten Journalisten nachahmte. Das Feld des Humors ist sehr sensibel.“
Auch über furchtbare Gegebenheiten lässt es sich lachen
Einer, der sich in diesem Feld ganz gut zu bewegen vermag, ist Peter Schneider. Der Psychoanalytiker hat als Satiriker für Radio SRF 3 und die SonntagsZeitung täglich mit Humor zu tun. Eine Grenze dessen stellt für ihn die Todesstrafe dar; wenn die Pointe darin besteht, die rechtmässige Tötung eines Menschen zu legitimieren. „Andererseits kann die Todesstrafe natürlich Gegenstand von Satire sein – und wenn es nur darum geht, auf den Widerspruch der Durchsetzung des Tötungsverbots durch die Todesstrafe hinzuweisen. Wirklich lustig wäre eine solche Satire natürlich nicht“, hält er fest.
Entgegen der Meinung vieler empfindet Peter Schneider auch eine weitere grauenvolle Begebenheit für ein der Satire zugängliches Thema: der Holocaust. Laut ihm kann sich durchaus über groteske Holocaustvergleiche lustig gemacht werden und folglich darüber, dass gerade Menschen, die sich der Erinnerung verpflichtet fühlen, oft so von den Gasöfen von Ausschwitz sprechen, als habe die Ermordung der Juden und die Kremierung ihrer Leichen gleichzeitig in einer Art grösseren Küchenherdes stattgefunden. „Solche Diskrepanzen zwischen pathetischem Ton und inhaltlichem Blödsinn sind durchaus satirefähig, auch wenn ich sie nicht gerade für satirebedürftig halte“, so Peter Schneider. Es komme immer wieder einmal vor, dass sich jemand aufgrund einer seiner Aussagen beschwere. Die Beschwerden seien jedoch noch nie gerechtfertigt gewesen und sind meist reflexartige und gedankenlose Reaktionen auf Stichworte in einer satirischen Argumentation, die ganz einfach nicht verstanden wurde.
So lässt sich schlussendlich festhalten: Die Grenzen des Humors können relativ weit ausgereizt werden, sie bestehen kaum, setzen aber umso mehr ein entsprechendes Feingefühl voraus. Ob die Rezipientinnen und Rezipienten dann noch über die nötige Kompetenz zum Verständnis verfügen, ist dabei ein anderes Thema.