Mit wenig Sprache und faszinierenden Bildwelten führt der Film The seen and the unseen der indonesischen Regisseurin Kamila Andini das Publikum in eine Geschichte ein, in der Traum und Realität, persönliches Leiden und Mythos sich vermischen.

Mancher Besucher des FIFFs wird sich wohl an den vielen ausländischen Filmen stören. Nicht etwa, weil er xenophob wäre oder das Schweizer Kino für den Gipfel der internationalen Filmlandschaft halten würde, sondern weil die Filme in Originalsprache gezeigt wurden. Wer zum Beispiel kein Indonesisch kann, muss mit den deutsch-französischen Untertiteln Vorlieb nehmen. Das wirkt sich gerade bei Dialogen negativ aus, wo der Betrachter immer zwischen Untertiteln und der Mimik der Figuren hin- und herspringen muss. Bei „The Seen and the Unseen“, ebenfalls aus Indonesien, muss sich das Publikum aber keine Sorgen um solche Probleme machen.

Der Film, der die Geschichte eines indonesischen Mädchens thematisiert, das den Leidensweg und Tod ihres krebskranken Zwillingsbruders verarbeiten muss, kommt mit erstaunlich wenig gesprochener Sprache aus. Kurz und einfach sind die Dialoge zwischen den wenigen zentralen Figuren. Viel stärker hingegen ist die Bildsprache, die an Reichtum und Ausdruckskraft schwer zu überbieten sein wird, die dabei einem plumpen Abgleiten in eine reine Symbolsprache ebenso fernbleibt, wie dem in eine bedeutungslose barocke Bildschmückerei. Der Film hat eine eigene Form des Dialogs gefunden, der mit dem körperlichen Ausdruck der Protagonisten arbeitet. So schmücken sich die beiden Geschwister einmal im Krankenhaus als Hähne und ahmen einen Hahnenkampf nach, der in einer Sequenz kurz vorher mit echten Hähnen gezeigt wurde. Doch das vorher kriegerische Aufeinandertreffen bekommt eine zärtliche Note, man kämpft nicht gegeneinander, sondern gegen das unabwendbar scheinende Schicksal. Der erliegende Hahn ist schon von vorneherein der Bruder, auch wenn die Schwester gerne seinen Platz einnehmen würde. So verliert auch sie.

Bei all diesen Szenen ist unklar, ob sie in Realität oder im Traum stattfinden, da sich beide Sphären konstant vermischen. Ebenfalls unerkennbar ist für die Zuschauerinnen und Zuschauer, aus welcher Erzählperspektive der Film gezeigt wird. So ist auch unklar, ob besagter Hahnenkampf je stattgefunden hat, da die Krankheit des Bruders am Anfang des Filmes vom Arzte mit der Bemerkung eingeführt wird, er habe aufgrund des Tumors schon sein Augenlicht verloren, sei Taub geworden und könne seine Beine nicht mehr steuern.

Aber der Film sei noch mehr als die Geschichte zweier Geschwister, so Regisseurin Kamila Andini nach der Vorstellung, er greife beispielsweise viele Elemente der balinesischen Kultur der Nordseite der Insel Indonesien auf. Ihr sei es wichtig gewesen den mythologischen Schatz ihrer Kultur für ihr filmisches Schaffen fruchtbar zu machen. So auch die Symbolik des Eis, die den ganzen Film durchzieht. Das Ei, das Fruchtbarkeit symbolisiert, aber auch ein Teil des Totenkultes ist und im Film auch immer wieder als Symbol, mit Eigelb und -weiss, für die Zwillingsbeziehung und die Komplementarität dieser Verbindung steht. So verweist das Ei auch auf ein Stückchen Ewigkeit.

 

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