Innerhalb von etwas mehr als einem Jahrzehnt ist der Anteil der Studierenden mit deutscher Muttersprache an der Universität Freiburg von der Hälfte auf einen Drittel zurückgegangen. Was bedeutet dieser Trend für die Uni? Ist gar die Zweisprachigkeit in Gefahr?
Die wohl meistgestellte Frage, die Freiburger Studierende in der Deutschschweiz zu beantworten haben, ist diejenige nach der Umgangssprache auf dem hiesigen Campus. Wenn man anschliessend erklärt, dass die Universität eine vollständige Zweisprachigkeit in der Lehre und der Verwaltung pflegt, so ist die Verwunderung gross. Doch wie zweisprachig ist die Universität wirklich? Ein Blick auf die nackten Zahlen der letzten Jahre zeigt einen klaren Trend: Die deutsche Sprache ist auf dem Rückzug. Gaben im akademischen Jahr 2003/04 noch über fünfzig Prozent der Studierenden an, deutscher Muttersprache zu sein, waren es 2015/16 nur noch 34 Prozent. Gleichzeitig nahm der Anteil der frankophonen Muttersprachler zu – aktuell liegt er bei 41 Prozent. Der Trend zum Exodus der deutschsprachigen Studierenden ist in sämtlichen Fakultäten zu beobachten, wenn auch in unterschiedlichem Ausmass.
Suche nach Gründen
Für den Rückgang an Deutschsprachigen gibt es gemäss Generalsekretär Fabian Amschwand verschiedene mögliche Erklärungen: „Die Universität profitierte lange Zeit von ihrer Stellung als einzige Universität in einem katholischen Kanton. Auch wenn dieser Aspekt schon eine Weile keine grosse Bedeutung mehr hat, kamen trotzdem viele Generationen von Studierenden im Sinne der Familientradition nach Freiburg. Dieser Effekt verblasst zunehmend.“ Spürbar sei zudem, dass viele Studierende gerne in ihrem angestammten Umfeld bleiben und damit zum Beispiel die relativ junge Universität Luzern einem Umzug in die Westschweiz vorziehen. Schliesslich hätten sicherlich auch die Diskussionen um den Stellenwert des Französischen im Allgemeinen einen Einfluss auf die Attraktivität des bilingualen Freiburgs. „Gerade in Bezug auf die Mehrsprachigkeit gibt es aber auch unberechtigte Vorbehalte gegen Freiburg“, ergänzt Erich Bapst, Marketingspezialist der Uni. „Schliesslich kann man hier sehr viele Studiengänge auch einsprachig absolvieren. Schulabgängerinnen und Schulabgänger und deren Angehörige überschätzen die Sprachhürden in Freiburg tendenziell.“ Dass gleichzeitig die Anzahl der Immatrikulationen aus der Westschweiz steigt, entspricht dem allgemeinen Trend in der Romandie, wo die Hochschulen aktuell schneller wachsen als in der Deutschschweiz.
Gegenmassnahmen ergriffen
Durch den kontinuierlichen Rückgang alarmiert, ergriff das Rektorat Massnahmen, um die Vorzüge der Universität Freiburg östlich des Röstigrabens vermehrt zu betonen. Die Marketingbemühungen konzentrieren sich momentan auf die Deutschschweiz, so Bapst: „Derzeit haben wir in der französischen Schweiz wenig Probleme, genügend interessierte junge Menschen anzusprechen. Darum sind wir dort im Moment weniger präsent.“ Das grosse Alleinstellungsmerkmal von Freiburg ist neben der vielbemühten Zweisprachigkeit auch die überschaubare Grösse, die eine persönliche Ausbildung ermöglicht. „In Zeiten, in denen sämtliches Wissen im Internet frei verfügbar ist, gewinnen Kompetenzen im zwischenmenschlichen und interkulturellen Bereich an Bedeutung. Wir als mehrsprachige und mittelgrosse Universität bieten ein ideales Umfeld, um sich genau diese Fähigkeiten anzueignen“, erklärt Amschwand, weshalb das Studium in Freiburg auch in Zukunft attraktiv bleiben wird. Diese sprachliche und kulturelle Offenheit sei auch bei Neubesetzungen von Stellen stets ein entscheidendes Kriterium.
Alle tragen Verantwortung
Ein Blick in die Geschichte unserer Alma Mater zeigt: Lange Zeit waren es die französischsprachigen Studierenden, die in Freiburg eine Minderheit bildeten. In den 1960er Jahren sprach nicht einmal ein Fünftel der Immatrikulierten Französisch. Dass man damals trotzdem von einer zweisprachigen Universität sprach, zeigt, dass der Bilingualismus nicht nur an Zahlen festgemacht werden darf. Trotzdem: Weder der Kanton noch das Rektorat erwägen, sich mit dem aktuellen Trend abzufinden, so Amschwand. „Das Wichtigste ist, dass die Zweisprachigkeit im Alltag gelebt wird – in der Mensa ebenso wie in der Verwaltung und den Hörsälen. Dafür sind wir schlussendlich alle verantwortlich.“