Ein intimes Selbstbekenntnis aus der Spectrum-Redaktion: Auch bei uns wurden schon Gender-Sterne gestrichen. Wir versuchen, geschlechtsneutral und mit Partizipien im Plural zu arbeiten. Doch reicht das? Eine Schneise in den Dschungel der gendersensiblen Sprache.

Am Anfang stand der Kampf gegen das generische Maskulinum, am stärksten geführt von der feministischen Linguistik und zuerst in den Vereinigten Staaten. Mit prominenten Linguistinnen wie Luise Pusch und Senta Trömel-Plötz kam die Debatte auch im deutschsprachigen Raum an. Sprache verdecke Frauen im Text und so in den Köpfen der Leute, wodurch sie patriarchalische Machtstrukturen erhalte, so die These. Nebst der Zunahme der Doppelnennung, die heute wohl die am weitesten verbreitete Form ist, entstanden auch Konstruktionen wie der Schrägstrich und das Binnen-I. Letzteres verdankt seine Popularität unter anderem den Beiträgen der WOZ und der deutschen taz in den 1980er Jahren. Doch schnell wurde klar, dass das Problem damit noch nicht gelöst ist.

Fortbestehendes Ausschliessen

Das Problem der Verewigung von Machtstrukturen bestehe weiterhin, nun seien zwar so genannte „Cis-Frauen“ nebst den schon immer anwesenden „Cis-Männern“ sichtbar. Aber es seien weiterhin nur die Menschen repräsentiert, deren Geschlechtsidentität (Gender) mit der Art, wie ihr Körper aus einer Aussenperspektive gelesen würde, übereinstimme, so die Kritik. Transpersonen würden aber weiterhin konsequent ausgeschlossen und sprachlich totgeschwiegen. Der Fokus verschob sich nun, und das nicht nur in der feministischen Linguistik, sondern in der gesamten feministischen Bewegung, langsam weg von der Unterdrückung „der (heterosexuellen) Frauen“ durch „die (heterosexuellen) Männer“, hin zu einem sehr differenzierten und vielleicht deshalb so verworrenen Bild von Geschlecht als Produkt von gesellschaftlichen Strukturen. Dabei seien diese Strukturen nicht nur etwas, das Individuen unterdrückt und ihre Freiheit beschränkt, sondern sie eben auch konstituiert, Grundlage für ihre Person, Persönlichkeit und ihr Selbstverständnis ist.

Transgender und die poststrukturalistische Wende

Im Zuge dieser Wende, die vor allem Anstösse aus den Arbeiten im Umfeld des Poststrukturalismus aufnahm, entstanden Formen wie der Unterstrich oder das Gender-Sternchen (Student_innen, respektive Student*innen). Der entscheidende Unterschied zu den obengenannten Formen liegt darin, dass nicht genau klar ist, welche Geschlechter repräsentiert werden. Der Unterstrich und das Sternchen lassen so einen Raum von Möglichkeiten offen, der bei den binären Varianten, die nur für Mann und Frau in ihrer klassischen Form stehen, nicht bestünde. So gibt es Trans- und Intersex-Menschen, die von sich selbst beispielsweise als Student*in respektive Chef*in sprechen, weil sie sich weder dem männlichen noch weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen. In der gesprochenen Sprache wird dabei, im Singular wie im Plural, am Ort des Sternchens eine kurze Sprechpause gemacht. Solche Formen sind also offen für Menschen, die sich beispielsweise als non-binär oder genderfluid verstehen, schliessen aber auch zukünftige, neue Formen mit ein.

Populäre Abwesenheit

So populär das Thema Transgender im Allgemeinen sein mag, so selten trifft man auf diese inklusiven Arten des Schreibens und Sprechens und das obwohl wir uns als eine weltoffene und liberale Gesellschaft verstehen. Es sei doch überhaupt absurd, Geschlecht überall sprachlich repräsentieren zu wollen. Trotzdem tun wir es ständig, und wo nicht auf neutrale Partizipien (Studierende) zurückgegriffen werden kann – man stelle sich nur Formen wie „Professorierende “, „Buchbindende“ oder „Automechanizierende“ vor –, bliebe anstelle der sehr offenen Formen nur die vermeintlich offene Form des generischen Maskulinums. Natürlich geht es hier um die Bedürfnisse von Minderheiten, doch auch wenn Spectrum selbst kein Sternchen in der Gender-Debatte ist, sollte man sich die Maxime des britischen Philosophen John Stuart Mill zu Herzen nehmen, dass der Gradmesser der Freiheit einer Gesellschaft die Toleranz sei, die sie ihren Minderheiten entgegenbringe.

Illustration: Noah Fend via Canva