Dieses Wochenende war es wieder so weit. Das Centre Fries eröffnete mit dem FriAir den Freiburger Open-Air-Sommer. Dem Motto entsprechend, wurden Vorplatz, Garten und Villa in eine Zirkuskulisse verzaubert. Unser Redaktor mischte sich zwei Tage lang unters Festivalvolk.

Ein vorfreudiger Blick auf die Uhr: Ist Freitagnachmittag um fünf zu früh, um mir bereits ein erstes Bier zu gönnen? Das Spektakel des Circo Bello kann ich ja den ganz kleinen Besucherinnen und Besuchern überlassen. Und die Band Painters Studio? Die Aufnahmen auf dem Netz klingen gut für einen Einstieg in ein Musikwochenende, von dem ich mir viel Beinarbeit erhoffe. Aber ich sollte unbedingt mit dieser Seminararbeit fertig werden. Was schon sieben Uhr? Gleich beginnt Rundfunk, mit Karl Gustav an der Front, was für eine Stimme! Okay, jetzt gehöre ich definitiv auf den Platz.

Je näher ich dem Gelände komme, umso grösser die Vorfreude. Von Weitem ist der spitze Turm zu erblicken, der die grüne Villa im Stadtinnern ziert. Fern, in der kühlen Abendluft, unter noch grauen Wolken, höre ich Musik. Voilà, das FriAir, es kann losgehen!

Gipsy und Wodka

Gleich als erstes hole ich mir eine Pizza aus dem Holzofen. Dann sofort in die Tanzmenge, wo Mirakolo uns einheizt. Die Bieler spielen zirkusreife Balkanbeats, die bei mir an diesem Wochenende nicht so schnell wieder abklingen werden. Es dauert nicht lange, bis ich die ersten bekannten Gesichter erblicke. Das Centre Fries ist wie eine grosse Familie. Lachen, sich drücken, stampfen. Plötzlich, als würde der Himmel die steigende Stimmung erhören, lösen sich die Wolken über uns auf und geben den sternenklaren Nachthimmel frei. Als Zugabe gibt es Röteli. Nein, nicht die Likörspezialität, der Song heisst so! Da kann niemand mehr stillstehen.

Doch damit nicht genug. Wer dachte, das sei der Höhepunkt des Abends gewesen, hat Prekmurski Kavbojci noch nicht gesehen. Die vier Musiker aus Basel, Winterthur, Berlin und Lissabon spielen Zigeunermusik par excellence und trinken dabei auch mal ein Glas Wodka, das sie gleich beim Publikum selbst bestellen. Die Trommel des Perkussionisten, der im Stehen spielt, ist mit Splash und filigraner Schlagfläche ausgestattet. Mit einer Hand bedient er die schäbig dumpfe Trommel, mit der anderen die klirrende Blechscheibe und die klickende Schlagfläche. Wer hätte gedacht, dass wir an diesem kalten Wochenende noch so schwitzen würden.

Der Schlachtruf zum Schneetreiben

Bekanntlich dauert das FriAir zwei Tage. Auch wenn ich noch niemanden hier zelten sah, die hartgesottenen Centre-Fries-Fans – also auch meine Wenigkeit – lassen sich vom Wetter nicht beeindrucken. Unter strömendem Regen tanzen wir am späten Samstagnachmittag zu der energischen Performace von BSD, einer jungen frankophonen Band, die bereits verschiedene Nachwuchspreise abgeräumt hat. Im Chor stimmen sie das Publikum ein: „Musica, musica, ay ay ay!“ Alle singen mit. Johlen ist erlaubt.

Aus Regen wird Schnee, worauf die Band die Parole der aktuellen Klimabewegung in Form einer Eigenkomposition spielt. „On est plus chaud, plus chaud que le climat“, singen wir alle gemeinsam.

Der krönende Abschluss

Schnee ist nicht die beste Werbung für ein Festival. Dennoch, mehr und mehr finden sich an diesem Abend in der Villa ein. Es lohnt sich. Sebass, die Winterthurer Balkanband, die nicht zum ersten Mal das FriAir entzückt, überzeugen mit den östlichen Klängen in unfassbar schnellen und präzis vorgetragen Melodien und Rhythmen. Da bewegen sich die Beine wie von selbst und reissen den ganzen Körper mit. Gleich nach dem Konzert stehe ich vor dem Backstagebereich. Bei diesem Festival sind die Stars hautnah. Ich frage den Posaunenspieler Sebastian Koelman, wie lange man üben müsse, um so spielen zu können. Er antwortet selbstbewusst: „Viel.“

Ja, ob Wind oder Regen, Sturm oder Schnee, das FriAir bleibt ein Muss für alle Festivalbegeisterten. Mit wärmendem Raclette im Bauch, nachzitternden Beinen und bester Laune begebe ich mich in der winterlichen Frühlingsnacht nach Hause.

Text und Bild: Michael Wiederkehr