Mit erst neunzehn Jahren kandidierte Letizia Fasano für die Jungfreisinnigen für den Nationalrat. Vom grünen Zeitgeist ihrer jungen Generation will sie sich aber nicht instrumentalisieren lassen.
Sie kommt, daran gab es keinen Zweifel mehr. Doch was bis gestern nur eine stetig lauter werdende Vorahnung war, manifestiert sich heute in nackten Zahlen: Die grüne Welle ist da. Amtlich bestätigt, schwarz auf weiss. Letizia Fasano sitzt in einem kleinen, schummrigen Restaurant im Herzen von Sitten und verfolgt mit ihren Mitstreiterinnen und Mitstreitern den Abstimmungssonntag. Neue Prognosen erfolgen im Fünfminutentakt. Und mit jeder wird klarer: Die Liberalen und mit ihnen Letizia verlieren. Die Stimmung ist sonderbar, erleichtert, aber auch enttäuscht. Erleichtert, dass ein langer und anstrengender Wahlkampf vorbei ist. Enttäuscht, weil die Klimadebatte alles andere überstrahlt.
Letizia Fasano kandidierte als Jungfreisinnige für den Nationalrat. Die Neunzehnjährige, die Betriebswirtschaft an der Universität Freiburg studiert, gehörte zu den jüngsten Kandidierenden überhaupt. Dennoch will sie das dominante Thema der jungen Generation nicht bedingungslos bedienen: «Die Klimafrage ist wichtig», findet sie, «aber sie sollte nicht alle anderen Themen verdrängen.» Man könne nicht die gesamte Wirtschaft zur Geisel der Ökologie machen und mit Staatseingriffen alles regeln. «Wir müssen weniger ideologisch und dafür praktischer denken, gemeinsam mit der Wirtschaft», ist sie überzeugt. Deshalb gehört sie zur Bewegung Avenir écologie, dem grünen Flügel der Walliser FDP.
Politisierung durch den Grossvater
Anders als viele junge Leute wurde Letizia nicht durch die Klimaproteste politisiert. Vielmehr prägte sie die Geschichte ihres italienischen Grossvaters, der als Arbeiter in die Schweiz kam. Obwohl er ein Leben lang hart schuftete und später an den Folgen dieser Arbeit starb, wurde er nie wirklich akzeptiert und integriert. «Deshalb bin ich für eine offene Schweiz und ein starkes Europa. Für eine Schweiz, die den Schwachen hilft, damit so etwas nicht mehr vorkommt.» Auch eine Schulzeit, die nicht immer einfach war, formte Letizias politische Meinung. «Bildung legt den Grundstein für ein selbstverantwortliches und selbstbestimmtes Leben», ist sie überzeugt. Darum brauche es ein starkes Bildungssystem, wozu auch politischer Unterricht gehöre. «Eine Demokratie kann langfristig nicht funktionieren, wenn nur die Hälfte der Leute abstimmt und teilnimmt. Wir brauchen einen Politikunterricht, der die Menschen ermutigt, politisch aktiv zu sein. Auch die Frauen, damit die Gleichberechtigung endlich Realität wird.»
Die Überzeugung, mit der Letizia solche Dinge sagt, und ihr Optimismus zeichnen sie aus. Spricht sie über Politik, funkeln ihre Augen und bringen etwas Wärme in das holzvertäfelte Sittener Restaurant. Dort wird noch eine Runde Getränke bestellt, während immer mehr Resultate eintrudeln. Mittlerweile ist auch klar, dass Letizia nicht gewählt wurde. Ihre Enttäuschung hält sich aber in Grenzen. Dass sie wohl nicht gewählt werde, sei ihr von Anfang an klar gewesen. Die Kandidatur sieht sie aber als gute Möglichkeit, Erfahrungen zu sammeln. «Ich lernte viele spannende Leute kennen, konnte mehrmals im Radio und Fernsehen auftreten und erlebte Politik hautnah», bilanziert sie.
Unklare Zukunft
Letizias Begeisterung für Politik lässt keinen Zweifel daran, dass sie trotz der Wahlniederlage weitermachen wird. Wohin genau ihr Weg führen wird, ist zwar unklar, es spiele aber auch keine so grosse Rolle, meint sie. «Ich mache Politik aus Überzeugung und nicht für einzelne Wahlen.» Sie hoffe lediglich, dass sich in Zukunft mehr junge Menschen politisch engagieren. Egal, für welche Themen.