Sexarbeit existiert schon seit Jahrtausenden und hat sich mit der Gesellschaft immer weiterentwickelt. Mit der Digitalisierung ist  eine neue Art von Sexarbeit entstanden: das Cammen.

Prostitution ist bekanntlich der älteste Beruf der Welt. Seit es Menschen gibt, gibt es vermutlich auch schon Sexarbeit. So ist es nicht überraschend, dass sich Dienstleistungen sexueller Natur auch im Internet verbreitet haben. Menschen, die online mithilfe ihrer Webcam die Wünsche ihrer Klientele erfüllen, nennen sich Cammodels. Aviva Rocks, 29 Jahre alt, ist ein Camgirl aus Zürich. Mittlerweile lebt sie aber in Spanien, des Wetters und der Natur wegen. Sie selbst bezeichnet sich als «Online-Prostituierte» und cammen sei für sie ganz klar Sexarbeit. Angefangen habe sie vor acht Jahren, als sie einen Job für tagsüber suchte. Vorher habe sie nämlich als Stripperin gearbeitet, was ihr auch gefallen habe: «Aber in der Nacht zu arbeiten fand ich nicht so toll», so Aviva Rocks. «Cammen habe ich gar nicht gekannt. Ich war auch super nervös, als ich es zum ersten Mal gemacht habe.» Spass am Job hatte sie aber schon von Anfang an.

Traumjob Camgirl?

Laut Aviva lässt es sich als Neueinsteigerin in der Industrie ziemlich gut verdienen. «Am Anfang hat man viele Kunden, weil man neu und aufregend ist. Dann nimmt es etwas ab, aber wenn man dranbleibt, steigen die Zahlen wieder.» Man müsse allerdings mehrere Stunden am Tag arbeiten und der Monatslohn schwanke stark. Sie selber cammt etwa vier bis sieben Stunden pro Tag, ausserdem realisiert sie auf der Seite ihre eigenen Pornovideos. Aviva zählt Cammen aber auch zum Porno-Genre: «Ich mache eigentlich schon seit acht Jahren Pornos », sagt sie lächelnd. Aber was macht eigentlich ein Camgirl? Man erfülle vor der Webcam die Wünsche von Männern. «Es ist eigentlich ein Eins-zu-eins-Gespräch, wo ich meine Kunden nicht sehe, aber sie mich.» Es gibt auch Cammodels, welche Fetisch-Wünsche ihrer Kunden erfüllen. Jedoch geht es beim Cammen vor allem um Selbstbefriedigung und den Einsatz von Sexspielzeugen. Ihre Kunden seien hauptsächlich Schweizer und Österreicher sowie einige Deutsche. Sie gehören den verschiedensten Altersgruppen an. Ihre Kundschaft reiche von 18-Jährigen bis zu «sehr Alten, die mega lange haben zum Tippen», erklärt sie lachend.

Aviva Rocks

Zwischen Realität und Theater

Wieviel ist eigentlich beim Cammen gespielt? «Klar kann ich nicht acht Mal am Tag kommen», erklärt Aviva. «Aber je freundlicher der Kunde und je besser man sich versteht, desto höher ist die Chance, dass wenig gespielt wird. In meinen eigenen Pornovideos hingegen täusche ich nichts vor.» Ihr Verhältnis zu Sex habe sich positiv verändert, sagt die 29-Jährige. Sie sei offener geworden und habe jetzt klare Vorstellungen, was ihr gefalle und was nicht. «Am Anfang, wenn man jung ist, weiss man nicht, was man beim Sex mag.» Sie sei anfangs auch ziemlich unsicher gewesen bezüglich ihres Aussehens. «Ich habe mich nicht so wohl gefühlt vor der Webcam.» Diese Unsicherheiten hat sie mittels Schönheits-OPs, Botox und Fillern überwunden. «Mir gefällt das einfach, so fühle ich mich wohl. Das ist auch wichtig, um gut zu cammen. Man muss sich selber schön finden», sagt sie.

Sex im einundzwanzigsten Jahrhundert

Es gibt auch Camgirls, die sich live vor Tausenden von Zuschauerinnen und Zuschauern selbst befriedigen und einzelne Wünsche für Geld erfüllen. Dafür gibt es spezifische Portale, über die jede und jeder ein Cammodel werden kann. Genaue Zahlen zum Umsatz der Industrie sind schwer zu finden, aber das amerikanische Magazin Newsweek schätzt ihn auf einige Hunderttausend bis zu zwei Milliarden US-Dollar. Ausserdem sind zu jedem beliebigen Zeitpunkt im Durchschnitt überall auf der Welt mindestens 12’500 Cammodels und über 240’000 Nutzerinnen und Nutzer online, so ein Insider der Industrie. Um als Cammodel erfolgreich zu sein, müsse man auch auf den sozialen Medien aktiv sein und mit seinen Fans in Kontakt bleiben. Manche, so auch Aviva, haben Links zu Amazon-Wunschlisten oder ihrem PayPal-Account, um so zusätzliches Geld von Fans zu verdienen. Fest steht, dass Cammodels die Zukunft der Sexarbeit in einem Zeitalter repräsentieren, in dem immer mehr Dienstleistungen digital vorzufinden sind. «Ich hoffe, ich kann das noch machen, wenn ich alt und ekelhaft bin. Ich habe immer noch Freude daran und hoffe, nie wieder etwas Anderes machen zu müssen», sagt Aviva abschliessend.

Schaut unbedingt auch bei Unicam vorbei. Sie haben ein tolles Video zum Thema gemacht.

Text: Elisa Jeanneret-Grosjean
Bild: zVg