So der Slogan des Vereins Jolie Maison, der geflüchtete Menschen bei ihrer Wohnungssuche unterstützt. Sultan, einer von ihnen, erzählt Spectrum von seiner Suche nach Privatsphäre.
Es ist ein verregneter Dienstagabend in Freiburg. Unter meinem aufgespannten Regenschirm warte ich vor dem Café Ancienne Gare auf meinen Interviewpartner. Pünktlich zur vereinbarten Zeit erscheint ein junger Mann, ein strahlendes Gesicht lacht mich an. «Bist du Chantal?», fragt er mich. Gemeinsam betreten wir das Café auf der Suche nach einem freien Tisch. Gegenüber von mir nimmt der 26-jährige Afghane Platz. Seit fünf Jahren ist Sultan nun in der Schweiz. Terror und Korruption, die sein Heimatland beherrschen, trieben ihn dazu, es zu verlassen. Familie und Freunde hat er seitdem nicht mehr persönlich gesehen.
Erste Schritte in der Schweiz
Nach Einreise in die Schweiz und dem Erhalt eines Ausweises für Asylsuchende, teilte er sich mit anderen Geflüchteten ein Viererzimmer, das ihm ein Betreuungs- und Integrationsunternehmen zugeteilt hatte. «Sich zu viert ein Zimmer zu teilen, ist schwierig. Ich wollte diesen Zustand ändern.» Ein Schweizer Freund machte ihn auf eine Internetanzeige eines Zimmers in Freiburg aufmerksam. Mit einem afghanischen Freund besichtigte er das Zimmer. «Mit einem monatlichen Budget von 300 Franken ist es unmöglich, ein Einzelzimmer zu finden. Deshalb legten mein Freund und ich das Geld zusammen und wollten uns gemeinsam ein Zimmer teilen.»
Jolie Maison als Retter in der Not
Doch auch mit dem nötigen Geld kamen Probleme auf: «Als Asylsuchende können wir keinen Mietvertrag abschliessen.» Und hier kam Jolie Maison ins Spiel, ein in Freiburg ansässiger Verein, der geflüchtete Menschen auf ihrer Suche nach einer Wohngemeinschaft begleitet. «Nach Zusage des Zimmers erledigte Jolie Maison den Rest, alles rund um den Mietvertrag und andere rechtliche Dinge.» So ermöglichte die Organisation ihnen Kontakt zu zwei Schweizer Mitbewohner*innen. Dieser Kontakt wäre ansonsten nur sehr schwer zugänglich für geflüchtete Personen, die meist in abgeschotteten Zentren wohnen. «Besonders schön fand ich, als sie mich an meinem Geburtstag überraschten. Sie überreichten mir Geschenke und kochten mein Lieblingsgericht Kabuli Palau (ein afghanisches Reisgericht mit Lamm, Rosinen und Karotten)», erzählt er. In seinem Heimatland werden Geburtstage normalerweise nicht gefeiert. Doch auch die Schweizer Küche hat er lieben gelernt, «Wie zum Beispiel Fondue!», fügt er mit einem Zwinkern hinzu.
Zukunftspläne auf Kurs
Nicht nur auf kulinarischer Ebene eröffneten sich neue Welten für Sultan: Er besuchte Französischkurse und absolvierte ein Praktikum bei einem Sanitätsunternehmen. Dort hat er zwischenzeitlich auch eine vierjährige Lehrstelle zum Sanitätsinstallateur erhalten. Doch das reicht ihm nicht: «In einigen Jahren möchte ich eine eigene Sanitätsfirma aufbauen. Ich will selbstständig sein.» Seine mehrjährige Anstellung änderte auch seinen Aufenthaltsstatus in der Schweiz. Daher hat er die Wohngemeinschaft vor einigen Monaten verlassen. Denn: Bei Erhalt eines Ausbildungsplatzes hat er Anspruch auf ein eigenes Zimmer – eines, das er sich mit niemandem mehr teilen muss. Das Beisammensein mit seinen Mitbewohner*innen bleibt ihm wohlig in Erinnerung. «Die Zeit in der WG fühlte sich wie zwei, drei Tage an, nicht wie ein ganzes Jahr. Wir haben viel gelacht.»
Das Gespräch neigt sich dem Ende zu. Wir verabschieden uns und Sultan verschwindet in der Dunkelheit, kehrt zurück in seine vier Wände, die erstmals ihm allein gehören. «Ich muss noch lernen. Ich habe einen Test in der Berufsschule», sind seine letzten Worte. Sultan baut sich eine lebenswerte Zukunft auf, denke ich, als auch mich auf den Heimweg mache.
Info:
Der Verein Jolie Maison vermittelt zwischen Personen, die in Freiburg ein freies WG-Zimmer haben und Geflüchteten, die eines suchen. Jolie Maison ermöglicht den gegenseitigen Kontakt und begleitet die Zimmerbesichtigung sowie den administrativen Prozess. Mehr Informationen gibt es auf joliemaison.org.