Dicke Menschen erfahren in der Schweiz in verschiedenen Bereichen Diskriminierung. Genug damit, meint Melanie Dellenbach im Gespräch mit Spectrum über Fettaktivismus.
Böse Blicke vor dem Kuchenregal im Coop. Der Arzt nimmt die Bauchschmerzen nicht ernst. Der ewige Teufelskreis der Diäten. Die Diskriminierung dicker Menschen kann sich auf unterschiedliche Art zeigen. Dagegen geht Fettaktivismus vor und strebt ein Ende der Gewichtsstigmatisierung durch die Gesellschaft und Institutionen an. Auch in der Schweiz ist die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihres Gewichts ein grösseres Thema, als viele denken. Dickfeindlichkeit ist normalisiert, auch wenn wir das nicht gerne hören. Darüber spricht Spectrum mit Melanie Dellenbach, Fettaktivistin und Mitbegründerin von Body Respect Schweiz.
Es beginnt mit Worten
Worte haben Macht. Vor allem wenn sie dazu benutzt werden, eine andere Person zu beleidigen. Dies ist einer der Gründe, wieso Melanie Dellenbach sich persönlich als dick beschreibt. Wurde und wird das Wort «dick» oft als Beleidigung verwendet, will sie diesen Begriff für sich zurückerobern und den Beleidigungen die Macht entziehen. Sie ist der Ansicht, dass die Bezeichnung «dick» ebenso beschreibend sein kann, wie wenn wir von blauen Augen oder von kurzen Haaren sprechen. Begriffe, welche mit dem Körpergewicht verbunden werden, haben oft negativen und wertenden Charakter, sogar wenn sie als neutral gelten. So signalisieren etwa die Begriffe «übergewichtig» oder «untergewichtig», dass die beschriebene Person nicht dem akzeptierten Normalzustand entspricht. Dellenbach hinterfragt die gesellschaftlichen Normen: «Stimmen die Botschaften, die ich immer höre?» Sie bevorzugt, ebenso wie viele andere Fettaktivist*innen, Bezeichnungen wie «hochgewichtig» oder Differenzierungen wie «small-fat», «medium-fat», «large-fat» und «superfat». Entscheidend ist dabei, dass es sich um neutral-beschreibende Bezeichnungen handelt, die nicht mit Wertungen oder einer Vorstellung von «(Ab)Normalität» einhergehen.
Höheres Gewicht im Gesundheitswesen
Ein Ziel, dass Dellenbach und andere Schweizer Fettaktivist*innen verfolgen, ist die Sensibilisierung für Diskriminierung im Gesundheitswesen. Daher war sie sehr erfreut, als die diesjährige Frauensession sich mit diesem Thema beschäftigte. Die Forderung lautete, dass die impliziten Vorurteile, welche unterbewusst vorhanden sind, im Gesundheitswesen untersucht werden müssen und hierbei auch Gewichtsdiskriminierung berücksichtigt werden soll. Leiden von dicken Schweizer*innen werden von Ärzt*innen nicht ernst genommen und meist ohne vorgängige Untersuchung einfach auf das Gewicht geschoben. «Um diese Vorurteile aus dem Gesundheitswesen zu vertreiben, braucht es schon bei den entsprechenden Berufsausbildungen ein Umdenken», sagt Dellenbach. Ausserdem muss es möglich sein, Diskriminierungserlebnisse zu melden.
Voreingenommenheit der Gesellschaft
Im Gegensatz zu anderen Formen der Diskriminierung ist Dickfeindlichkeit in unserer Gesellschaft weitgehend akzeptiert. Die Öffentlichkeit nimmt sich das Recht heraus, über die Körper von dicken Menschen zu urteilen. Anders als bei anderen Diskriminierungsformen wird die Schuld bei den betreffenden Personen selbst gesucht. Hochgewichtigen Personen wird Faulheit zugeschrieben und ihr Körpergewicht unhinterfragt darauf zurückgeführt. Dies führt bei Hochgewichtigen zur Verinnerlichung dieser Vorurteile. Dellenbach glaubt jedoch daran, dass es in der Schweiz Raum und Potenzial für Körpervielfalt gibt. Einen wichtigen Schritt dafür sieht sie in der Sensibilisierung der Gesellschaft.
Die Stereotypen, gegenüber dicken Menschen müssen angegangen werden. Eine Community ist dafür entscheidend. Das ist ein Grund, wieso Melanie Dellenbach bei der Gründung von Body Respect Schweiz mit dabei war. Nach dem Vorbild aus Island soll Body Respect Schweiz die Sichtbarkeit der Anliegen von dicken Schweizer*innen fördern und als Anlaufstelle bei Problemen und Fragen fungieren. Für Dellenbach ist klar: «Ich bin hier, um etwas zu erreichen.»
Melanie Dellenbach
Melanie Dellenbach (sie/ihr) befasst sich seit Jahren mit Gewichtsdiskriminierung und «Gesundheitsförderung bei jedem Gewicht» (HAES) in der Schweiz. Die diplomierte Pflegefachfrau HF hat ein CAS in Gesundheitsförderung und Prävention. Entdeckt hat Melanie den Fettaktivismus bei einem Forschungsjahr in San Francisco, USA. Seitdem engagiert sie sich als Projekt- und Kampagnenleiterin sowie mit Vorträgen und Workshops für ein Ende der Gewichtsdiskriminierung hierzulande. Ausserdem ist sie Mitbegründerin und Präsidentin von Body Respect Schweiz.
Mehr zu Melanie und ihrer Arbeit findet ihr auf Yes2Bodies, Body Respect Schweiz und auf Instagram.
Yes2Bodies : https://www.yes2bodies.ch
Body Respect Schweiz: https://www.bodyrespect.ch
Instagram: https://www.instagram.com/yes2bodies/