Hexen begleiten die Weltgeschichte schon seit eh und je. Wie sie vom Besen zu Instagram und Tiktok kam.
Wenn wir an Hexen denken, schiessen den meisten wohl Bilder von bösen Märchenfiguren, schlechten Halloween Kostümen oder Frauen auf dem Scheiterhaufen in den Kopf. Die wenigsten stellen sich dabei einen Teenager in seinem Zimmer vor, der auf seinem Handy ein Video aufnimmt, um zu zeigen, wie man am Valentinstag seinen Schwarm mit einem Liebeszauber beschwören kann. Doch auf Instagram und Tiktok, begegnet man dieser Art von Hexe immer wieder. Eine gefürchtete Art der Magie wird heute in den sozialen Medien zelebriert und verbreitet.
Vom Scheiterhaufen bis zum Hashtag
Hexerei war für lange Zeit in der Weltgeschichte gefürchtet. Den meisten wird Hexenverfolgung ein bekannter Begriff sein. Im Mittelalter und in der Neuzeit wurden vor allem Frauen der Hexerei beschuldigt. Diese Beschuldigungen endeten in den meisten Fällen mit tödlichen Prozessen, an denen die Beschuldigten auf dem Scheiterhaufen hingerichtet wurden. Im 20. Jahrhundert wurde eine neue Form der Hexe bekannt: Die Wicca. Dabei handelt es sich um eine Naturreligion, die es seit den 1950er Jahren gibt. Anhänger*innen von Wicca sehen sich selbst als Hexen und praktizieren Magie. Auch heute gibt es Wicca noch. Die praktizierenden Hexen findet man auch häufig im Internet. Auf sozialen Netzwerken wie Instagram, Youtube oder Tiktok sind Beiträge von Hexen schon lange keine Einzelerscheinung mehr. Der Hashtag #witchtok auf Tiktok generiert Tausende Videos. Der Wandel der Hexen von gefürchteten Nachbarn zu Influencer*innen ist faszinierend.
Doch es ist keine neue Erscheinung. Dies bestätigt auch Prof. Oliver Krüger. Der Religionswissenschaftler forschte von 2002 bis 2005 an der Universität Heidelberg über die Kommunikation neopaganer Ritualistik im Internet. Für ihn ist die Internetpräsenz der Hexe nicht sehr erstaunlich. Sie sei schon immer Teil der populären Kultur gewesen. Von den Grimms Märchen bis hin zu TV-Klassikern wie Bibi Blocksberg: Die Hexerei findet man in der Popkultur immer wieder. Die Medienaffinität des Bereichs macht den Schritt ins Internet daher naheliegend.
Hexenrituale im Internet
Obwohl beim Gedanke an eine Verfluchung oder an einen Liebeszauber den meisten unwohl sein könnte, sind die Zeiten der Hexenverfolgung vorbei. Heute fasziniert die Hexe vor allem durch ihre Ästhetik. Kerzenwachs, bestimmte Kleidung und atmosphärische Musik gehört zur Präsentation der Hexe im Internet. Professor Krüger bestätigt, dass sich die Rituale der Wicca für eine solche performative Inszenierung sehr anbieten. Die verwendeten Farben sind schon lange standardisiert und der Kontext für jeden Zauber ist festgelegt. Gewisse Bilder und Phänomene der Wicca sind stark popularisiert, auch dank dem Internet, und lassen sich somit schnell erkennen.
Eigentlich ein eher erstaunliches Phänomen, wird die traditionelle Wicca Religion genauer betrachtet. Sie ist durch strikte Hierarchien und strenge Aufnahmebedingungen geprägt, erklärt Prof. Krüger. Erster Schritt ist die Aufnahme in einen Coven, also in einen Hexenzirkel. Diese sind zwar an vielen Orten vertreten, doch die Präsenz im Internet ermöglicht einen einfacheren Zugang zur Hexerei. «Was gemacht wird, ist eigentlich nicht für die Öffentlichkeit gedacht», sagt Prof. Krüger über die Ritualistik der Wicca. Doch aus dem Internet ist sie nicht mehr weg zu denken. Jedoch bleiben die Wicca Hexen des Internets eher auf der oberflächlichen Ebene und dienen oftmals auch kommerziellen Gründen. Wiederum etwas, was in der traditionellen Wicca so nicht gedacht ist.
Hexen sind nun ein fester Bestandteil des Internets und der sozialen Netzwerke. Und diesen Platz werden sie nicht so schnell wieder aufgeben.
Text: Franziska Schwarz
Prof. Dr. Oliver Krüger
2003: Dissertationsschrift über die Unsterblichkeitsutopien des Posthumanismus an der Universität Bonn
2004: Dissertationspreis der Deutschen Vereinigung für Religionswissenschaft
2002-2005: Forschung über die Kommunikation über neopagane Ritualistik im Internet im Sonderbereich Ritualdynamik an der Universität Heidelberg
2005-2007: Studie zu alternativen Bestattungsbewegungen in den Vereinigten Staaten in Center for the Study of Religion an der Universität Princeton
2007-heute: Professor für Religionswissenschaften an der Universität Freiburg