Am 08. November versammelten sich Studierende der Universität Freiburg vor der Aula Magna, um sich mit der Revolution im Iran solidarisch zu zeigen.

Auf einem Banner stehen die drei kurdischen Worte: «Jin Jiyan Azadî» (dt. «Frauen, Leben, Freiheit»). Die Parole ist älter als die neusten Aufstände im Iran. Sie stammt aus dem kurdischen Widerstand gegen staatliche Gewalt. Diese richtet sich oft gegen Frauen, besonders jene, die einer Minderheit angehören. Die Parole verdeutlicht, dass die Rechte der Frauen unzertrennbar mit denen auf Leben und Freiheit verbunden sind.

Am 13. September 2022 verhaftete die Sittenpolizei die 22-jährige Kurdin Jina Amini, auch «Mahsa Amini» genannt, weil sie ihr Kopftuch nicht regelkonform trug. Drei Tage später starb die junge Frau im Krankenhaus. Die iranische Gerichtsmedizin spricht von einer natürlichen Todesursache, während die Mehrheit der iranischen Bevölkerung von einem Tod durch Polizeigewalt ausgeht. In vielen Städten Irans entbrannten Proteste. Darauf reagierte das Regime mit Gewalt und mehr Repression.

 

 

Banner bei der Solidem am 8.11 vor der Aula Magna.

 

Forderung nach Solidarität

Ausserhalb des Irans versammeln sich Menschen, um ihre Solidarität zu zeigen. Einige Studierende organisierten zusammen mit Mitgliedern des Migrant Solidarity Networks eine Kundgebung an der Universität Freiburg. Ungefähr dreissig Personen versammelten sich auf den Stufen vor der Aula Magna, um den Reden an der Kundgebung zuzuhören.

Bei der Begrüssung erklärt Menga, wie eng die diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen dem iranischen Regime und der Schweiz sind. Es liege auch an uns, klare Forderungen an den Bundesrat zu formulieren, um die Revolution im Iran zu unterstützen, Geflüchteten Schutz zu spenden und wirtschaftliche Beziehungen mit dem Unrechtsstaat zu unterbinden. Anfang November gab das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung bekannt, dass sich die Schweiz nicht an den EU-Sanktionen gegen den Iran beteiligen würde. Die nächste Rednerin erinnert daran, dass das Regime im Iran insbesondere durch die Ölvorkommen an wirtschaftliche Macht gelangt ist: «Opfere die Menschheit nicht für Geld und materielle Dinge. Dieses Öl ist nicht mehr blau und hat sich durch menschliches Blut rot verfärbt!»

Zu viele Gründe

Keywan hält seine Rede auf Sorani, die Sprache der Kurd*innen in Ostkurdistan. Auf dem Platz ist es still, denn obwohl das Publikum die Worte nicht versteht, ist die Bedeutung klar. Immer wieder fällt der Name Jina Amini. Im Anschluss an Keywans Rede liest Simeon die französische Übersetzung vor.

In seiner Rede unterstreicht Keywan das Ausmass der Proteste. Ein solcher Massenaufstand sei in der Geschichte des Irans einzigartig: «Es ist wichtig, zu verstehen, dass das kriminelle Regime, das im Iran an der Macht ist, nicht das iranische Volk repräsentiert. Es repräsentiert nur eine Minderheit von 5 – 7%, die mit dem Regime aus Geld- oder Glaubensgründen kooperiert.» Der Rest der Bevölkerung solidarisiere sich nun mit Jina Amini und den anderen Opfern der patriarchalen Staatsgewalt. Diese endet auch vierundfünfzig Tage nach dem Beginn der Proteste nicht. Viele Menschen sind verschwunden oder getötet worden.

«Ich wünsche mir, dass auch ihr euch mit dem unterdrückten Volk im Iran solidarisiert», sagt Keywan, «sagt euren Vertreter*innen im Parlament, dass sie die Beziehungen und den Handel mit dem kriminellen Regime im Iran vorübergehend abbrechen sollen, damit die Iraner*innen ihre an diese Verbrecher verlorenen Rechte zurückerlangen können.»

Als das Klatschen der Versammelten verebbt, klingen aus den Lautsprechern die ersten Klänge des iranischen Protestlieds «Baraye» von Shervin Hajipour. «Baraye» bedeutet auf Deutsch «wegen» oder «für»: Das Lied listet die Gründe für den Protest auf. Für deine Schwester, meine Schwester, unsere Schwestern. In der Dämmerung steht die Gruppe auf den Stufen vor der Misericorde und lauscht stumm, fast andächtig, dem Lied, für das der junge Künstler im September festgenommen wurde: Wegen all diesen nicht enden wollenden Gründen.

 

Text und Foto: Alyna Reading