Marie-Dominique Gauthier führt mit drei Mitarbeitenden ein in Freiburg einzigartiges Lebensmittelgeschäft. Im Gegensatz zu ihren Nachbarn im Quartier verkauft sie ihre Produkte unverpackt.

Beide, Mensch und Umwelt leiden an der übermässigen Abfallproduktion. Geht man in Freiburg durch Einkaufszentren wie das «Centre Fribourg» oder das «Centre Pérolles», wirkt es in dieser Hinsicht hoffnungslos: Kaum ein Produkt ohne Verpackung. Plastik, Tüten, Aluminium, Karton. Und wohin mit der Verpackung, wenn das neue, heiss begehrte Produkt Zuhause einmal ausgepackt ist? Ab in den Müll. Dass Einkaufen in Freiburg auch anders geht, beweist der Laden «Atout Vrac».

«Im März kamen wir ins Gespräch, im Oktober war die Eröffnung»

Frau Gauthier ist Kunsthistorikerin und lehrte an der Universität Genf. Die Idee eines «Unverpackt Laden» schwebte ihr schon längere Zeit vor. «So etwas Ähnliches habe ich mal in Berlin gesehen», meint sie. Dann kam sie erstmals mit der Gruppe «Fribourg Demain» in Kontakt, die sich für Mensch und Umwelt engagiert. So finden sich 10 Frauen wieder, darunter Schülerinnen, Studentinnen und Pensionierte. Sie machen einen konkreten Vorschlag: Ein Lebensmittelgeschäft in Freiburg mit Null Abfällen. Im März 2016 kamen sie ins Gespräch, ein halbes Jahr später wird der Laden eröffnet.

Alles, was ein Haushalt benötigt

Nun gibt es «Atout Vrac» bereits seit sechs Jahren. Ich habe Frau Gauthier gefragt, worauf sie denn am meisten stolz sei: «Dass wir immer noch hier sind», meint sie lachend. Es gäbe einige Läden hier im Quartier, die in den letzten sechs Jahren aufgemacht, dann aber bald wieder geschlossen haben. «Atout Vrac» gehört nicht zu ihnen. Jung und Alt kaufen bei «Atout Vrac» ein und sind begeistert. Die Ladenfläche ist nicht riesig und doch findet man fast alles, was ein Haushalt benötigt. Von Basisprodukten wie Reis, Nudeln und Polenta über Mehl, Zucker und Nüsse. Darüber hinaus verkaufen sie auch Haushaltsprodukte und Hygieneartikel. Wir machen einen kleinen Rundgang und sie präsentiert mir die Regale, welche alle liebevoll beschriftet sind. Ich merke: Hier steckt Herzblut dahinter.

Zwei Ziele: Null Verpackungsabfälle und kein Food-Waste

Für den Laden «Atout Vrac» haben sich die Frauen zwei Ziele gesetzt. Erstens so wenig Abfall wie möglich zu produzieren. Das Konzept ist simpel: Der Käufer nimmt so viel er braucht und füllt die Ware in wiederverwendbare Taschen oder Behälter. Konfitüre und Joghurt gibt’s im Pfandglas. Flaschen wirft «Atout Vrac» nicht weg. Sie wischt sie aus und stellt sie zu den Regalen hin, so dass Kunden diese als Behälter nehmen können.

Zweitens, möchten sie die Lebensmittelabfälle bekämpfen. «Besonders in der Schweiz ist Food-Waste ein riesengrosses Problem. Bevor Kunden zu uns kommen, müssen sie darüber nachdenken, was sie überhaupt benötigen, um dann die entsprechenden Behälter einzupacken.» Bereits bei diesem ersten Gedanken fängt bewussteres Einkaufen an. Interessant sei das Konzept auch für viele Studierende, die nur unter der Woche in Freiburg sind: «Sie können sich ein bisschen Reis für die Woche kaufen, müssen nicht gleich ein ganzes Kilo nehmen oder sogar drei, weil der Aktionspreis so verlockend war.» Donnerstags erhalten Studierende bei Vorweis eines gültigen Studentenausweises 10% Rabatt auf ihren Einkauf.

«Wandel braucht es jetzt. Und er gelingt nur, wenn wir zusammenarbeiten»

Fakt aber ist, dass «Atout Vrac» in Freiburg bisher die Ausnahme bleibt, während Läden mit Verpackungen die Regel sind. Frau Gauthier ist sich dem bewusst. Sie findet aber auch, dass jede noch so kleine Geste zählt. Gerade alltägliches Verhalten, wie beispielsweise der Wocheneinkauf, hat einen wichtigen Einfluss auf unseren ökologischen Fussabdruck. «Wandel braucht es jetzt. Und er gelingt nur, wenn wir zusammenarbeiten», lautet ihre Philosophie. Frau Gauthier ist aktiv und bemüht sich auch darum, die eigenen vier Wände zu verlassen. So wird ihr Konzept und ihre Vision hoffentlich weiterhin zahlreiche Menschen in Freiburg, oder noch besser, über die Stadtgrenzen hinaus, bewegen.

Text und Bild: Pauline Anne Meyer