Der Oscar ist der wohl begehrenswerteste Preis in Hollywood. Am 12. März wurde der Goldmann zum 95. Mal verliehen. Ich habe die Sendung verfolgt, damit ihr nicht müsst.
Es ist 12:45 Uhr in der Oscarnacht. Mein Wecker weckt mich nach drei Stunden Schlaf. Mit müden Augen wandle ich ins Zimmer nebenan, um meine Schwester (meine Co-Oscar-Enthusiastin) zu wecken. Zusammen gehen wird in die Küche, um uns Kaffees machen. Das Koffein und die Vorfreude machen mich hellwach In knapp 10 Minuten startet die 95. Oscarverleihung in Los Angeles. Dieses Jahr könnte es aus mehreren Gründen eine historische Verleihung werden. Ob es das wirklich wird, werden erst die nächsten dreieinhalb Stunden zeigen.
01:00 Uhr
Die Show beginnt. Host Jimmy Kimmel tritt auf die Bühne, es folgen einige gut und schlecht landende Witze über die Nominierten und Hollywood. Auch ein Bemerk über den sogenannten «Oscar Slap» letztes Jahr, als Will Smith während der Preisverleihung Chris Rock eine Ohrfeige verpasste, schafft es in den Eröffnungsmonolog.
Schon bald fängt der Spass wirklich an. Wie immer wird einer der wichtigen Oscars als Erstes vergeben. Dies wohl vor allem, um sicher zu stellen, dass die Zuschauer*innen am Fernseher von Anfang an mit dabei sind. In meinem Fall eine funktionierende Taktik. Dieses Jahr war es der Oscar für den besten Animationsfilm, der an Guillermo del Toro’s Pinocchio geht. Eine Stop-Motion Version der bekannten Pinocchio Geschichte von Netflix.
01:40 Uhr
Nach der ersten Pause ist es dann Zeit für die ersten Oscars für Schauspielerei. Die Preise für die beste und den besten Nebendarsteller*in stehen an. Bei den Männern wird schon die ganze Awards Saison das Rennen durch Ke Huy Quan dominiert. In den 1980er Jahren trat Quan als der hilfreiche kleine Junge in Indiana Jones and the Temple of Doom zum ersten Mal vor die Kamera. Nach dem damaligen Erfolg konnte er jedoch in Hollywood nicht Fuss fassen. Asiatische Schauspieler waren nicht gefragt. Mit dem Sci-Fi Film Everything Everywhere all at once feierte er dieses Jahr ein erfolgreiches Comeback. Der Oscar wäre die Krönung einer unglaublichen Geschichte über die Veränderungen und Diversität in Hollywood. Ich sitze voller Spannung da, als Ariana Debose und Troy Kotsur (beste und bester Nebendarsteller*in 2022) den Umschlag öffnen und den Namen vorlesen. Und tatsächlich: Ke Huy Quan schafft es, sein Comeback mit einem Oscar auszuschmücken.
Der Preis für die beste Nebendarstellerin wird als nächstes verliehen und geht an Hollywood Legende Jaime Lee Curtis auch für Everything Everywhere all at once. Den meisten wird sie entweder als Lindsay Lohans Mutter im Disney Klassiker Freaky Friday oder als Laurie aus den Horrorklassikern der Halloween-Reihe bekannt sein. Nach einer langen und umfangreichen Hollywood Karriere ist dies ihr erster Oscar.
01:55 bis 03:42 Uhr
Jetzt folgen technische Oscars, Auftritte von den nominierten Songs und das In Memoriam zum Gedenken an Leute, die Hollywood im vergangenen Jahr verloren hat.
Unter den Gewinnern in diesen zwei Stunden ist der Dokumentarfilm Navalny. Er handelt vom russischen Oppositionspolitiker. Der Oscar wird von den Filmemachern und Navalnys Familie entgegengenommen.
Der deutsche Anti-Kriegsfilm Im Westen nichts Neues, basierend auf dem gleichnamigen Roman von 1929, bekommt gleich vier Oscars überreicht, darunter bester internationaler Film und beste Filmmusik.
Kostümbildnerin Ruth Carter gewinnt ihren zweiten Oscar für ihre Arbeit im Marvel Film Black Panther: Wakanda Forever. Sie schreibt ausserdem Geschichte als die erste POC-Frau, welche zwei Oscars gewinnt.
Nach Auftritten von allen nominierten Songs für den besten Originalsong, darunter auch Lady Gaga und Rihanna, gewinnt als erster indischer Originalsong Naatu Naatu vom Film RRR den Oscar.
Auch Sommer Blockbuster Top Gun: Maverick schafft einen Oscargewinn für besten Ton.
Das In Memoriam, begleitet von Sänger Lenny Kravitz, hebt dieses Jahr Hollywood Grössen wie Olivia Newton-John, Ray Liotta und Angela Lansbury hervor.
03:56 Uhr
Nach gefühlt 100 Pausen und dem vierten Kaffee geht es langsam an das Eingemachte. Es folgen die Oscars für Drehbuch. Als bestes adaptiertes Drehbuch wird Women Talking ausgezeichnet. Ein Film nach einer wahren Geschichte über Frauen in einer religiösen Kolonie, welche herausfinden, dass sie von ihren Männern betäubt und missbraucht werden. Drehbuchautorin und Regisseurin Sarah Polley nimmt den Oscar entgegen und macht dazu eine Bemerkung über das Fehlen von Frauen, in Kategorien wie Beste Regie.
Das beste Originaldrehbuch ging an das Duo die Daniels, Daniel Kwan und Daniel Scheinert für Everything Everywhere all at once. Auch sie nutzen die Gunst der Stunde, um Politik in ihre Rede zu bringen. Sie sprechen sich gegen die in Amerika immer häufiger auftretenden Anti-Trans und Anti-Drag Gesetzte aus. Wenn der Applaus im Dolby Theater ein Hinweis sein kann, trafen sie dabei auf gleichgestimmte Ohren. Ausserdem können die Daniels ein paar Minuten später auch noch gleich den Oscar für die beste Regie abholen. Ihre eigene Verblüffung über den Gewinn ist rührend.
04:12 Uhr
Jetzt geht es in die Endrunde. Als dritt letzter Preis wird der Oscar für den besten Hauptdarsteller verliehen. Dieses Jahr besteht die ganze Kategorie aus erstmalig Nominierten. Das Rennen wird sich aber zwischen Austin Butler für Elvis und Brendan Fraser für The Whale entscheiden. Jessica Chastain (beste Hauptdarstellerin 2022) und Halle Berry präsentieren den Preis und sorgen für einen grossen Applaus als sie Brendan Frasers Namen lesen. Fraser war in den 1990er und 2000er Jahren einer der grössten Schauspieler in Hollywood mit Filmen wie George of the Jungle und The Mumie. Doch er zog sich aus Hollywood zurück, nachdem er durch den Präsidenten der Golden Globes sexuell genötigt worden sei. Erst seit 2018 spricht er offen über seine Erfahrung. Nach Jahren auf Hollywoods Blacklist schaffte er dieses Jahr die Rückkehr in den Mainstream.
Nachdem Fraser die Bühne verlässt, machen sich Chastain und Berry bereit, die beste Hauptdarstellerin zu verkünden. Auch hier hat es zwei Kandidatinnen, welche das Rennen zwischen sich entscheiden werden. Einerseits Cate Blanchett für Tár und andererseits Michelle Yeoh für Everything Everywhere all at once. Hier hat die Academy eine Chance, etwas Historisches zu vollbringen. In der 95-jährigen Geschichte der Oscars ist Halle Berry immer noch die einzige POC-Frau, die jemals den Oscar als beste Hauptdarstellerin gewonnen hat. Der Gewinn für Michelle Yeoh würde diese eher beschämende Statistik anfangen zu begradigen und den ersten Gewinn für eine asiatische Frau in dieser Kategorie bedeuten. Der Fakt das Halle Berry den Oscar weitergeben wird, macht die mögliche Hollywood Geschichte, noch besser. Als Chastain und Berry dann Michelle Yeoh als Gewinnerin verkünden, kann ich meine Freude nur zurückhalten, da ich die Nachbaren nicht wecken will. Auch der Saal in Los Angeles kann es kaum fassen. Michelle Yeoh bekommt, wie ihre Schauspielerkolleg*innen vor ihr, eine lange und laute Standing Ovation.
04:32 Uhr
Mit zwei Minuten Verzug geht es dann an den letzten und wohl wichtigsten Preis jeder Oscarverleihung: Bester Film. Dieses Jahr hat Harrison Ford die Ehre, den Gewinner bekannt zu geben. Wie der Schauspieler es immer macht, kommt er schnell zum Punkt. Ohne viel drumherum verkündet er Everything Everywhere all at once als Gewinner. Das ist der siebte Gewinn für den Film an diesem Abend und nach dieser Awards Saison ist der Sci-Fi Film ausserdem der meist preisgekrönte Film aller Zeiten.
Nachdem das Team von Everything Everywhere all at once den letzten Satz der Rede sprach und den Abend damit beendet, schalte ich den Fernseher wieder aus. Meine Schwester geht zurück ins Bett, um in ein paar Stunden bereit für die Arbeit zu sein. Zufrieden mit den Ergebnissen dieser Nacht lege auch ich mich zurück ins Bett. Während die Müdigkeit, die ich erst jetzt richtig bemerke, über mich fällt, habe ich nur einen Gedanken:
See you next year Oscars!
Text und Illustration: Franziska Schwarz
Liste aller Gewinner*innen
Best Picture
Everything Everywhere All at Once
All Quiet on the Western Front
Avatar: The Way of Water
The Banshees of Inisherin
Elvis
The Fabelmans
Tár
Top Gun: Maverick
Triangle of Sadness
Women Talking
Best Lead Actress
Michelle Yeoh (Everything Everywhere All at Once)
Cate Blanchett (Tár)
Ana de Armas (Blonde)
Andrea Riseborough (To Leslie)
Michelle Williams (The Fabelmans)
Best Lead Actor
Brendan Fraser (The Whale)
Austin Butler (Elvis)
Colin Farrell (The Banshees of Inisherin)
Paul Mescal (Aftersun)
Bill Nighy (Living)
Best Supporting Actress
Jamie Lee Curtis (Everything Everywhere All at Once)
Angela Bassett (Black Panther: Wakanda Forever)
Hong Chau (The Whale)
Kerry Condon (The Banshees of Inisherin)
Stephanie Hsu (Everything Everywhere All at Once)
Best Supporting Actor
Ke Huy Quan (Everything Everywhere All at Once)
Brendan Gleeson (The Banshees of Inisherin)
Brian Tyree Henry (Causeway)
Judd Hirsch (The Fabelmans)
Barry Keoghan (The Banshees of Inisherin)
Best Director
Daniel Kwan, Daniel Scheinert (Everything Everywhere All at Once)
Martin McDonagh (The Banshees of Inisherin)
Steven Spielberg (The Fabelmans)
Todd Field (Tár)
Ruben Östlund (Triangle of Sadness)
Best Original Song
“Naatu Naatu” From RRR
„Applause From“ Tell It Like a Woman
„Hold My Hand“ From Top Gun: Maverick
„Lift Me Up“ From Black Panther: Wakanda Forever
„This Is a Life“ From Everything Everywhere All at Once
Best Adapted Screenplay
Women Talking
All Quiet on the Western Front
Glass Onion: A Knives Out Mystery
Living
Top Gun: Maverick
Best Original Screenplay
Everything Everywhere All at Once
The Banshees of Inisherin
The Fabelmans
Tár
Triangle of Sadness
An Irish Goodbye
Best Animated Feature Film
Guillermo del Toro’s Pinocchio
Marcel the Shell With Shoes On
Puss in Boots: The Last Wish
The Sea Beast
Turning Red
Best International Feature Film
All Quiet on the Western Front (Germany)
Argentina, 1985 (Argentina)
Close (Belgium)
EO (Poland)
The Quiet Girl (Ireland)
Best Sound
Top Gun: Maverick
All Quiet on the Western Front
Avatar: The Way of Water
Elvis
Best Film Editing
Everything Everywhere All at Once
The Banshees of Inisherin
Elvis
Tár
Top Gun: Maverick
Best Visual Effects
Avatar: The Way of Water
All Quiet on the Western Front
The Batman
Black Panther: Wakanda Forever
Top Gun: Maverick
Best Original Score
All Quiet on the Western Front
Babylon
The Banshees of Inisherin
Everything Everywhere All at Once
The Fabelmans
Best Production Design
All Quiet on the Western Front
Avatar: The Way of Water
Babylon
Elvis
The Fabelmans
Best Animated Short Film
The Boy, the Mole, the Fox, and the Horse
The Flying Sailor
Ice Merchants
My Year of Dicks
An Ostrich Told Me the World Is Fake and I Think I Believe It
Best Documentary Feature Film
Navalny
All That Breathes
All the Beauty and the Bloodshed
Fire of Love
A House Made of Splinters
Best Documentary Short Film
The Elephant Whisperers
Haulout
How Do You Measure a Year?
The Martha Mitchell Effect
Stranger at the Gate
Best Live-Action Short
An Irish Goodbye
Ivalu
Le Pupille
Night Ride
The Red Suitcase
Best Costume Design
Black Panther: Wakanda Forever
Babylon
Elvis
Everything Everywhere All at Once
Mrs. Harris Goes to Paris
Best Makeup and Hairstyling
The Whale
All Quiet on the Western Front
The Batman
Black Panther: Wakanda Forever
Elvis
Best Cinematography
All Quiet on the Western Front
Bardo, False Chronicle of a Handful of Truths
Elvis
Empire of Light
Tár