Währenddem sich um sie herum vieles verändert hat, blieben die Haie bestehen. Seit mehr als 450 Millionen Jahren existieren sie nun auf unserem Planteten. Was passiert, wenn die Haie aus den Meeren verschwinden?

Die Vorstellung des Haies als blutrünstiges Raubtier projiziert ein völlig falsches Bild vom Hai. Denn beobachtet man den Hai in seiner freien Wildbahn, zeichnet sich ein ganz anderes Bild ab. Es deckt auf, dass die Inszenierung des Hais als grosse Gefahr nicht mehr als einer Illusion gleicht. Im Gegenteil: Haie sind eher in Gefahr, als selbst die Gefahr zu sein. In der dreissigminütigen Dokumentation «Verschwinden Haie aus dem Meer?» offenbart der Kultursender Arte verschiedene Problematiken. Thematisiert wird das Überfischen der Meere und wie wichtig die Haifische für das Weiterbestehen unseres Ökosystems und nicht zuletzt auch für uns Menschen sind.

Vom Verschwinden der Haie

Die Flossen der Haifische werden trotz Verbot illegal auf offener See mit der Finning Technik grausam abgeschnitten, bevor der restliche Körper wieder ins Wasser geworfen wird. Ein weiteres Problem ist die Überfischung der Meere. Haie werden gezielt gefischt oder landen als Beifang im Fischernetz. Weiter sind Haie ist nicht nur durch die Überfischung gefährdet, sondern auch durch den Klimawandel und die von Menschen verursachte Zerstörung ihrer Lebensräume, der Korallenriffe.

Der Dominoeffekt und die Konsequenzen des Artensterbens

Haie gehören zu den Räubern und stehen an der Spitze der ozeanischen Nahrungskette. Sie kontrollieren somit das Wachstum der Fischpopulationen und der wirbellosen Tieren, wie den Muscheln. Dadurch nehmen Haifische eine Schlüsselrolle in unserem Ökosystem ein und sorgen für das Gleichgewicht. Ohne sie verändert sich das gesamte Ökosystem. Denn fehlt die Spitze der Nahrungskette, rücken andere Fische an deren Platz. Da diese keinen Fressfeind mehr haben, vermehren sie sich folglich unkontrolliert weiter. Dies geht weiter bis ihnen die Beute fehlt, sie selbst keine Nahrung mehr haben und aussterben. Geschieht dies, kippt das ganze System. Zurzeit bewegen wir uns Meeresbiolog*innen zufolge in diese Richtung.

 

 

So schwimmen im False Bay in Südafrika die Robben immer weiter hinaus, da es an ihrem Fressfeind, dem Hai, fehlt. Die Forschenden stellten fest, dass dadurch einerseits die Stresshormone, andererseits ebenfalls die Sexualhormone reduziert werden. Folglich pflanzen sich die Robben weniger häufig fort. Die Haie, die zuvor in der Baja California vor der Küste Mexikos lebten, haben ihr Habitat inzwischen weiter hoch nach Monterey in den USA verlegt und beginnen dort die Nahrungsketten zu verändern. Ähnliches geschieht auch in den Ökosystemen vor Indien und Indonesien. Die dort lebenden Tigerhaie sind mittlerweile fast gänzlich ausgerottet. So gibt es vermehrt Wasserschildkröten und weitere Pflanzenfresser, die die Seegraswiesen abgrasen. Wiesen, die für eine Vielzahl an Unterwasserlebewesen der Lebensraum sind. Auch in den Korallenriffen zwischen Australien und Indonesien verschwinden die Haie. Hingegen vermehren sich kleinere Raubfische wie der Schnapper weiter, die wiederum die Population der pflanzenfressenden Fische gefährdet, deren Anzahl abnimmt. Dies führt dazu, dass die Korallen vermehrt von Algen überwachsen sind und dadurch absterben. Ein Dominoeffekt, der kaum aufzuhalten ist. So sprechen Forschende von einem bevorstehenden Massensterben.

Nachhaltige Massnahmen für eine bessere Zukunft

Schutzmassnahmen sind zwar im Gange, jedoch eher träge. Vielerorts werden die Regelungen weiterhin geschickt Umgangen. Die Vorkehrung, Haie gänzlich von den Fängen zu bewahren, stünde jedoch weiterhin aus, sagen Expert*innen. Effektiver wäre es, technische Massnahmen und Vorgehensweisen zu treffen, um gegen die illegale und unkontrollierte Fischerei vorzugehen und Transparenz zu schaffen. Hoffnung besteht aber weiterhin. So wurde in den Bahamas ein Schutzgebiet für Haie eröffnet, das strengsten überwacht wird und wo kein Hai an Land gebracht werden darf. Weiter forderten die Expert*innen des österreichischen Biodiversitätsrats im Jahr 2021 30% der Wasser- und Landfläche zu Schutzgebieten zu erklären, um gegen das Artensterben vorzugehen. Denn es nütze wenig, die Haie zu schützen, wenn gleichzeitig die Meere weiterhin überfischt werden. Letztendlich muss das Ökosystem in seinem funktionalen Zusammenhang betrachtet und entsprechend geschützt werden.

 

Text und Illustration: Ella Lory


Mehr zum Thema findet ihr hier:

ARTE, 25.11.22, https://www.youtube.com/watch?v=YKJ_KJtWUMs&t=476s

WRD, 22.2.21,