…Helikoptereltern. Wie ergeht es dabei den Kindern? Ein Gespräch mit Brigitte Schöbi vom Institut für Familienforschung und -beratung.

 

Depressionen, Angststörungen, Narzissmus. So lautet eine beispielhafte Liste an psychischen Problemen, welche Kinder von Helikoptereltern davontragen können. Bei deren Aufzählung räumt Brigitte Schöbi zwar ein, dass die Folgen nicht immer so gravierend sein müssen. Dennoch betont sie, es gebe viele Forschungsstudien, die den Zusammenhang zwischen elterlichem «Overparenting» und kindlichen Problemen in der Emotionsregulation belegen.

 

Von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter    

Als Grund für diese Mühe, die eigenen Gefühle zu beeinflussen, nennt Schöbi das Erlernen ineffizienter Copingstrategien wie Rückzug, Distanzierung und Internalisierung. Denn Helikoptereltern würden ihren Kindern den Umgang mit negativen Gefühlen abnehmen. Dadurch könnten ihre Kinder die breite Palette an Entwicklungsaufgaben im Übergang von der Kindheit zum Erwachsenenalter, darunter das Erlernen von Autonomie, das Finden einer Selbstidentität, das Vergrössern des sozialen Netzwerks sowie der Erwerb vieler neuer Kompetenzen, nicht richtig durchlaufen.

Die negativen Auswirkungen von Helikoptereltern können deren Kinder folglich nicht nur während der Kindheit, sondern bis ins Erwachsenenalter beschäftigen. Ein extremes Beispiel dafür ist laut Schöbi der Narzissmus. Er führe dazu, dass man sich selbst vor andere stelle. Man mache sich wenig Gedanken um das Wohlergehen anderer und reagiere mit Wut und Frust auf enttäuschte Erwartungen. Dieser in der Kindheit entwickelte Mangel an Empathie kann Schöbi zufolge auch später im Erwachsenenalter noch zu Schwierigkeiten führen, zum Beispiel in beruflichen oder privaten Beziehungen.

Lösungen statt Ratschläge

Doch wieso sind Helikoptereltern überhaupt so kontrollierend? Aufgrund ihrer Angst, lautet die klare Antwort von Schöbi. Bei Helikoptereltern handle es sich meistens um ängstliche Personen, die ihre Kinder allgemein als verletzlicher empfänden und zudem oft nur eine unsichere Bindung zu diesen aufbauten. Durch Überbehütung wollten sie ihre Kinder deshalb vor Fehlern oder Misserfolgen schützen. Ihr Leitsatz laute dabei: «Lösungen statt Ratschläge». So würden sie zum Beispiel bei schulischen Problemen direkt selbst intervenieren, anstatt ihre Kinder diese selbst untereinander aushandeln zu lassen.

Das Erziehungsverhalten von Helikoptereltern führt laut Schöbi schliesslich zu einer traurigen Ironie: Denn es verursache eher die zu Beginn dieses Artikels erwähnten psychischen Probleme bei den Kindern, als dass es diese verhindere. Indem Helikoptereltern viel Energie in ihre Rolle fliessen liessen und ihren Kindern alle Steine aus dem Weg räumten, schützten sie diese kurzfristig vor Problemen, verwehrten ihnen allerdings auf lange Sicht das essenzielle Erlernen einer eigenständigen Problembewältigung.

 

 

«Mother hovers over me like a helicopter»

Seit über 20 Jahren wird der Begriff «Helikoptereltern» weitflächig in der Populärliteratur verwendet. Den Trend losgetreten hat die US-amerikanische Psychologin Wendy Mogel im Jahr 2001 mit der Veröffentlichung ihres Buchs «The blessings of a skinned knee», in welchem sie den überbehütenden Erziehungsstil scharf kritisiert. Mehr als 30 Jahre zuvor hatte bereits der Psychologe Haim G. Ginnott in seinem Ratgeber für Eltern mit dem Titel «Between Parent and Teenager» die Klage eines Jugendlichen «Mother hovers over me like a helicopter» zitiert.

Helikoptereltern sind somit keineswegs ein neues Phänomen. Vielmehr beschäftigen sie seit Jahrzehnten sowohl Laien als auch Experten – wobei letztere eher von «Overparenting» sprechen. Es lassen sich laut Schöbi Unterschiede im Erziehungsstil zwischen verschiedenen Generationen erkennen. So seien beispielsweise «Baby Boomer», also die Jahrgänge 1946 bis 1962, im Vergleich zur vorhergehenden Generation mehr in das Leben ihrer Kinder involviert gewesen. Im Allgemeinen würden Faktoren wie der Lebensstil, die Technologie, die finanzielle Lage oder die Geburtenrate einer Generation deren Erziehungsstil beeinflussen. Wie viele unserer Generation wohl auch einmal zu Helikoptereltern werden?

Text Sophie Sele

Illustration Gwendoline Schenk

 


Brigitte Schöbi

ist Teil des interdisziplinären Teams des Instituts für Familienforschung und -beratung (IFF) der Universität Freiburg, welches zu den Bereichen Entwicklungspsychologie und Familienrecht forscht und doziert. Zudem bietet es juristische und psychologische Beratung für Kinder, Jugendliche, Eltern, Paare und Erwachsene an.