Grosse Misogynie und kein Verständnis für sexuelle Abweisung von Männern durch Frauen – daraus entstehen Incels.

Von der Selbsthilfegruppe zum Frauenhass

In den 90er Jahren erschuf eine Studentin eine Online-Selbsthilfegruppe, ohne zu ahnen, was sie damit auslösen würde. Anfangs diente die Gruppe dem harmlosen Austausch von Geschichten und Gefühlen einsamer und schüchterner Menschen auf der Suche nach Liebe. Sie nannten sich die „Incels“, was sich aus den Worten involuntary (unfreiwillig) und celibate (zölibatär/sexuell enthaltsam) zusammensetzt.

Daraus hat sich heute eine Gemeinschaft gebildet, die vorwiegend aus heterosexuellen Männern besteht. Sie empfinden Frauen gegenüber Hass, da sie sich von ihnen diskriminiert fühlen, wenn diese keine Beziehung oder keinen Sex mit ihnen haben wollen. Diese Männer sind davon überzeugt, ein natürliches Anrecht auf Sex zu haben und fühlen sich durch Frauen dieses Rechts beraubt. Sie glauben, in einem Matriarchat zu leben, in welchem die Frauen die Macht über die Männer hätten. Von der emanzipatorischen Bewegung und der angestrebten Gleichberechtigung fühlen sich die Incelseingeschüchtert, beschreibt die Organisation HateAid, die sich gegen Hass im digitalen Raum einsetzt.

Zorn als Antrieb

Ihre Ansichten gegenüber Frauen machen diese Männer nicht nur wütend, sondern auch gefährlich. In den vergangenen Jahren gab es mehrere Attentate mit der Begründung, ein Incel zu sein. Eines der berühmtesten Gewaltdelikte geschah 2014 in Kalifornien, als der 22-jährige Amerikaner Elliot Rodger vierzehn Menschen verletzte und sechs Personen tötete. Seine Tat begründete er in einer Videobotschaft, in welcher er verkündete: „If I can’t have you, girls, I will destroy you“. Damit richtete er sich spezifisch an Mädchen und drohte ihnen Gewalt an, sollten sie sich ihm nicht sexuell unterwerfen.

In diversen Foren und Blogs tauschen sich Incels anonym über ihren Antifeminismus aus. Dort wird der 22-jährige Attentäter als Held seiner Gemeinschaft zelebriert. „To go ER“ wurde zu einem bekannten Slogan der Incels. Die Buchstaben ER stehen für die Initialen von Elliot Rodger. Der Slogan fordert somit andere Incels auf, ihn nachzuahmen. Ein weiteres Motto, welches die Frauenhasser verfolgen, lautet „Tits or GTFO (get the fuck out)“. Es verlangt, dass Frauen ihre Brüste zeigen oder verschwinden sollen. In den letzten Jahren haben Incels ihre eigene Sprache entwickelt, sodass Aussenstehende teilweise mehr verstehen, worüber sie sich unterhalten. So wird eine Art von Anonymität für Incels gewährleistet, während sie sich untereinander über ihre Überzeugungen verständigen können. Besonders der Algorithmus in den sozialen Medien ermöglicht es den Incels, sich in einer Blase von Gleichgesinnten aufzuhalten und sich ihre Weltansicht gegenseitig zu bestätigen.

Popkultur als Bestätigung

Teilweise wird in berühmten medialen Werken die Ansicht der Incels bestärkt. In der TV-Serie „The Big Bang Theory“ beispielsweise repräsentiert einer der Protagonisten, der Wissenschafter Howard Wolowitz, die ständige Bedrängung von Frauen, obwohl diese kein Interesse an ihm haben. Was für die meisten Menschen ein harmloser Witz der Serie darstellt, bestätigt die Incels in ihrer Weltansicht. Sie vergleichen sich auch mit dem Film „Matrix“, der 1999 erschienen ist. Hierbei handelt es sich um einen Science-Fiction-Thriller, in dem sich der Hauptakteur Neo in einer Szene entscheiden muss, eine rote oder blaue Pille zu schlucken. Während die blaue Pille ein zufriedenes, ahnungsloses Leben bietet, ermöglicht die rote Pille eine Existenz in der Realität. Incels vergleichen diese rote Pille mit ihrer Erkenntnis, dass Frauen Männer unterdrücken. Auch über den Hauptdarsteller, Joaquin Phoenix, des Films „Joker“ wurde diskutiert, ob es sich dabei um einen Incel handle, da er die Anzeichen eines von Frauen abgewiesenen Mannes aufweist. Es stellt sich die Frage, ob die Popkultur damit zur Radikalisierung der Incel-Bewegung beiträgt.

 

Text Joëlle Sorg

Illustration Aliyah-Sophie Manzke